Interview mit Siegfried Schmidt
Wenn man sich mit Siegfried "Siggi" Schmidt über das Tauchen unterhält, kommen schnell Bilder über sein Unterwasser-Mofa, eigentlich ja ein Tauch-Scooter, ins Gespräch. Diese torpedoähnlichen Schwimmhilfen hatten in den Fünfzigerjahren durch Jacques-Yves Cousteaus Filme Berühmtheit erlangt. Das Fortbewegungsmittel machte es möglich, sich unter Wasser mühelos von einem Ort zum anderen ziehen zu lassen.
R.B.: Aus meiner Erfahrung sind Tauch-Scooter mit Leichtigkeit der Fortbewegung und Geschwindigkeit verbunden. Und vor allem machte es Spaß. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Spaßfaktor eine große Rolle beim Bau des Gefährts gespielt hat.
Siggi: Naja, Spaß spielt natürlich immer eine wichtige Rolle – für mich aber eher beim Entwurf und der Umsetzung von Ideen zum Bau von Tauchtechnik. Ich bin halt ein begeisterter Bastler. So stellte sich für mich damals die Frage, wohin mit einem alten Akku. Die aufladbare Batterie hatte ich einfach über. Da lagen dann auch noch zwei alte Scheinwerfergehäuse und der Propeller eines Tümmler-Außenbordmotors herum. Daraus entstand dann die Idee, einen Tauch-Scooter zu bauen. Aus den Scheinwerfergehäusen und einem Aluminiumrohr wurde ein passender Körper für den Akku und den Motor zusammengeschweißt. Als Antrieb diente ein Gebläse-Motor eines alten Martinshorns, gespeist von einem kippsicheren 12V Eisen-Zink-Akku. Der Propeller des Außenbordmotors wurde zur Antriebsschraube des Scooters umfunktioniert.
Siggi Schmidt´s Unterwasser-Scooter
R.B.: Wann fand die „Jungfernfahrt“ statt?
Siggi: Das müsste irgendwann im Sommer 1957 gewesen sein. Die Erprobung des Unterwasser-Scooters fand in der Sonnenbucht am Stechlinsee statt. An dem See verbrachten Peter Scharf und ich viele Wochenenden. Wir bugsierten das fast dreißig Kilogramm schwere Gerät ins Wasser. Die Erwartungen waren natürlich bei uns riesengroß. Ich schob den Scooter in tiefere Bereiche und tauchte mit ihm unter die Wasseroberfläche. Ich klammerte mich an die Haltebügel und betätigte den Starter. Die Schraube drehte sich endlich im Wasser. Aber nichts geschah. Der erhoffte heftige Zug blieb aus. Leider erwies sich der Motor als zu schwach, um einen Taucher flott durchs Wasser zu ziehen. Das Gefährt musste erst einmal mit kräftigen Flossenbewegungen angeschoben werden. Danach konnte man doch gemächlich durchs Wasser gleiten.
Siegfried Schmidt mit seinem Scooter im Stechlinsee
R.B.: Wer kam auf den Namen „Moby Dick“?
Siggi: Das kann ich gar nicht genau sagen. Der 70 cm lange Rumpf mit seinem Durchmesser von 40 cm erinnerte wohl eher an einen fetten Wal als an ein pfeilschnelles Unterwassermobil.
Peter Scharf mit Scooter am Stechlinsee
R.B.: Das Gefährt wurde ein treuer Begleiter eurer Tauchunternehmungen. Was waren eure spaßigsten Momente?
Siggi: Peters Frau Ingrid hätte beinahe bei ihrer ersten Scooter-Fahrt unseren „Moby Dick“ versenkt. Aus Unachtsamkeit hatte sie wohl den Starter des Motors eingeschaltet, worauf sich das Gerät völlig selbständig auf den Weg durch den See machte. Dann begann eine größere Suchaktion. Gott sei Dank fand Peter unseren Moby Dick auf der anderen Seite der Bucht. Er hat eine Strecke von fast achtzig Metern im Alleigang zurückgelegt.
Auch wenn wir mit dem Tauch-Scooter nicht unbedingt Geschwindigkeitsrekorde aufstellen konnten, bereitete uns das gemächliche Dahingleiten unter Wasser viel Freude. An der Wasseroberfläche sorgten wir auf alle Fälle für viel Aufsehen. Immer wenn wir mit dem Gerät an den See kamen, wurden wir von anderen Badegästen oder Spaziergängern sehr interessiert beobachtet. Unter Wasser konnten sie ja nicht sehen, dass unser Gerät doch zu den etwas Gemütlicheren zählte. Der schnittige Scooter taugte auf jeden Fall als „Fotomodell“ und wurde auch als solches regelmäßig genutzt.
R.B.: Danke für das Interview.
Quelle: Roger Blum/Steven Blum: Schwerelose Zeiten - Tauchererinnerungen, Berlin (2020)
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