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AutorenbildRoger Blum

Der Kreative – Interview mit Peter Scharf

Aktualisiert: 6. Jan.

Der Kreative – Interview mit Peter Scharf

 

Peter Scharf, Jahrgang 1936, gehörte zum „Harten Kern“ der Heinitzsee-Taucher. Gemeinsam mit Helmut Keßner, Gerhard Steinert und Jürgen Schmidt erkundete "der Stumpfe", wie er von seinen Freunden genannt wurde, seit den frühen 1950er Jahren die Unterwasserwelt. Er beschäftigte sich vor allem mit der Entwicklung neuer Ausrüstung und Technik und gilt als einer der kreativsten Konstrukteure der DDR-Taucherszene. Viele seiner Eigenbaukonstruktionen sind im Sporttauchermuseum Berlin-Wendenschloß ausgestellt.


R.B.: Lieber Peter, wann genau hast du mit dem Tauchen begonnen?

 

P.S.: Meinen ersten Unterwasserblick im Heinitzsee machte ich 1950 mit einer selbstgebauten Maske aus einem Gummistiefel. Die Flossen waren Sandalen mit angenietetem Förderbandgummi. 1953 lernte ich Helmut Keßner, Gerhard Steinert, Peter Zenthöfer und Jürgen Schmidt kennen, die mit selbstgebauten Ausrüstungen den Heinitzsee erkundeten. Ich war sofort fasziniert. Da ich in Rüdersdorf wohnte, suchte ich so oft es ging den See auf. Wir freundeten uns an und so wurde ich Mitglied der Tauchergruppe.

 

Peter Scharf am Heinitzsee (um 1955)

 

R.B.: Was waren deine spannendsten Entdeckungen?

 

P.S.: Der Heinitzsee barg so manches Geheimnis. 1954 entdeckte ich im See einen Säbel eines preußischen Kavallerie-Offiziers. Der Griff bestand aus einem auffälligen Löwenkopf aus Messing und roten Glasaugen. Den wuchtigen Parierbügel zierte Eichenlaubdekor, den Terzlappen gekreuzte Lanzen und Säbel. Der Griff bestand aus Rochenhaut mit Silberdrahtwicklung.

 


Kavallerie-Offzierssäbel mit Parderkopf (Fund von Peter Scharf im Heinitzsee 1954)

 

Ein Jahr später holte ich ein reich verziertes, mit Silber eingelegtes Gewehr vom Seegrund. Es handelte sich um eine Doppelflinte des Hofbüchsenmachers Friedrich Morgenroth zu Gernrode aus dem Jahre 1839. Ein weiteres historisches Gewehr von H. Barthelmes zu Zelle fand ich 1963. Es stammte ebenfalls aus der Zeit zwischen 1820 und 1840. Auch fanden wir mehrere Bombenzielgeräte. Am Heinitzsee befand sich eine Versuchsanlage für Modellabwurfversuche. Zwei große Gestelle blieben auf dem Grund des Sees zurück. Gruselig war der Fund mehrerer Leichen. Spektakulär war auch der Fund zweier Autowracks aus alten Filmen mit Hans Albers und Harry Piel (siehe auch Artikel „Märkisches Hollywood“).

 

R.B.: In der Zeitschrift „Poseidon“ aus dem Jahre 1962 wurde von den sogenannten Schramlöchern im Heinitzsee berichtet. Um was genau handelte es sich?

 

P.S.: Die dunklen Schramlöcher waren natürlich ein besonderes Ziel. Wir hatten sie 1961 auf 30 Meter Tiefe entdeckt. Die Schramlöcher waren in den Kalkstein gehauene Stollen, die durch Quergänge verbunden waren. Bei einem Tauchgang im Jahre 1961 gerieten Gerhard Steinert und ich erstmals in die Nähe dieser unheimlichen Löcher. Wir fanden ein weitverzweigtes Stollensystem, das wir unbedingt erkunden wollten. Beim ersten Tauchgang wagten wir uns sogar kurz hinein, doch es war stockdunkel und ich musste mich an der Wand entlang zum Ausgang tasten. Ich erzählte meinem Tauchfreund Fritz Kurkowski von unserer Entdeckung. Ich kannte ihn vom Stechlinsee, wo er einen spektakulären Tieftauchgang mit Pressluft auf 65 Meter Tiefe unternommen hatte. Fritz war der richtige Mann für unser Unternehmen und er wollte unbedingt dabei sein. Ich baute einen Unterwasserscheinwerfer mit einer 500 W Nitraphot-Lampe und gemeinsam mit Gerhard und Fritz erkundeten wir die Stollen. Links und rechts zweigten Quergänge ab und der Kampf gegen Dunkelheit, Enge, Kälte und Tiefenrausch verlangte uns alles ab. Die Erkundung der Schramlöcher war wohl unser gefährlichstes Abenteuer.

 

R.B.: Eure Abenteuer wolltet ihr dann auch in Bild und Ton festhalten…

 

P.S.: Natürlich. Bereits 1955 begann ich mit dem Bau meines ersten Unterwassergehäuses. Es war ein aus Messingblech gedrücktes Gehäuse für eine EXA.

 

R.B.: Eine Besonderheit ist eine im Sporttauchermuseum ausgestellte Unterwasser-Stereokamera, die du aus zwei EXA's gebaut hast. Wann hast du sie gebaut und welche Herausforderungen galt es dabei zu meistern?

 

P.S.: Die Konstruktion stammt aus dem Jahre 1967. Die Kamera besteht aus zwei mit einer Kreissäge gekürzten und an diesen Stellen zusammengefügten EXA-Kameras. Beim Bau der Unterwasser-Stereokamera galt es mehrere Hürden zu überwinden. Die beiden Kamerareste wurden wieder zusammengefügt, und zwar so, dass der Abstand der optischen Achsen beider Objektive ca. 60 bis 70 mm beträgt. Dies entspricht dem Durchschnittsabstand des menschlichen Auges. Nach dem Zusammenfügen der Gehäuse musste ich die Bedienungselemente der Kameragehäuse so miteinander verbinden, dass eine synchrone Betätigung über jeweils ein Hebelsystem möglich war. Dazu gehörten Aufzug mit Filmtransport und Rückspulmöglichkeit, Verschlusszeit, Blende und Entfernung. Alle Durchführungen mussten an bedienungsoptimalen Stellen platziert und das Stereosystem fest im Unterwassergehäuse installiert werden. Der Film konnte durch einfaches Öffnen des Gehäuses und dem Deckel der Kamera eingelegt und nach dem Rückspulen auch wieder entnommen werden.

 

Die Unterwasser-Stereokamera wurde von Peter Scharf aus zwei gekürzten und zusammengefügten EXA-Kamera-Gehäusen gefertigt (zu besichtigen im Sporttauchermuseum Berlin-Wendenschloss)

 

R.B.: Deine bekannteste Entwicklung ist der CEMA 7-Regler. Er gilt als die kleinste Hochdruckstufe der Welt.

 

P.S.: Ob es die kleinste Hochdruckstufe der Welt ist, weiß ich nicht, aber jedenfalls war es die kleinste Hochdruckstufe der DDR. Gemeinsam mit dem Leipziger Konstrukteur Claus Zimmermann experimentierte ich seit Anfang der 1960er Jahre mit der Entwicklung von Lungenautomaten.

 


CEMA 7-Regler

 

R.B.: Was bedeutet CEMA?

 

P.S.: Die Abkürzung CEMA leitet sich aus unseren Namen ab: CLAUS PETER ZIMMERANN SCHARF.

 

CEMA-Regler im Einsatz

 

R.B.: Wie funktionierten die CEMA-Hochdruckstufen?

 

P.S.: Anders als die membrangesteuerten Hochdruckstufen waren die CEMA-Hochdruckstufen kolbengesteuert. Der Drang den Regler kleiner und einfacher und somit wartungsärmer zu bauen, spornte uns an. So entstanden die Vorgängerversionen CEMA 1 bis 6.

Die beiden Schalen der Niederdruckstufe wurden aus Messingblech gedrückt. Der Deckel wurde von einem Klemmring gehalten. Die Besonderheit ist jedoch die Hochdruckstufe. Sie ist die kleinste jemals gebaute kolbengesteuerte Hochdruckstufe, die beim Anschluss völlig im Flaschenventil verschwand.

Die CEMA-Regler wurden seit den 1960er Jahren bis zur Wende von zahlreichen Tauchenthusiasten nachgebaut und teilweise modifiziert, u.a. von Manfred Saupe, Jürgen Liefländer und Berndt Scholler. Einige Exemplare gelangten auch nach Bulgarien, Ungarn, die CSSR, in die BRD und nach Frankreich.

Die letzte Version war die CEMA 8 Hochdruckstufe mit gleichen Abmessungen, aber druckkompensiert.

 

R.B.: Was würdest du als deine kurioseste Konstruktion bezeichnen?

 

P.S.: Ich wurde einmal gebeten, eine sogenannte „Schlürfkanone“ (Slurp gun) zu bauen. Das Gerät sollte dazu dienen, kleinere Wasserbewohner unverletzt und ohne aufregende Jagd mit dem Kescher fangen zu können. Das Funktionsprinzip war einfach: Durch die Bewegung eines Kolbens wurde mit hoher Geschwindigkeit Wasser in einen Zylinder gesaugt und das auserwählte Objekt mit diesem Wasser „eingeschlürft“.

 

Peter Scharf mit einer seiner zahlreichen Erfindungen - der „Schlürfkanone“

 

R.B.: Vielen Dank für dieses interessante Gespräch.


Peter Scharf (mitte) übergibt Otmar Richter (rechts) neue Exponate fürs Sporttauchermuseum

 

Anmerkung: Das Interview wurde im Frühjahr 2020 geführt. Im Mai 2020 ist Peter Scharf leider verstorben.


Quelle:

Roger Blum/Steven Blum: Schwerelose Zeiten - Tauchererinnerungen, Berlin (2020)



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