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Englischer Bomber im Motzener See entdeckt

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges hatte Reichmarschall Hermann Göring in einer Rundfunkansprache vollmundig erklärt: "Wenn auch nur ein feindliches Flugzeug unser Reichsgebiet überfliegt, will ich Meier heißen!". Nur wenige Jahre später legten alliierte Bomberverbände deutsche Städte in Schutt und Asche. Tagsüber flogen die Amerikaner mit B17-Bombern und P 51 Mustangs als Begleitschutz, nachts kamen die Engländer mit schweren Bomberverbänden. Die Briten flogen im Schutze der Nacht meist ohne Begleitschutz. So auch am Vorabend des Heiligen Abends des Jahres 1943..


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Abschuss am Heiligabend


Gegen 23.45 Uhr startete in Kelstern ein Bomberverband der Royal Air Force mit dem Ziel Berlin. Zu diesem Verband der 625. Squadron Bomber Command gehörte auch die Lancaster B I mit der Kennung LM421 CF-Q. Das 4-motorige Flugzeug war erst am 4. Dezember 1943 in Dienst gestellt worden und hatte gerade einmal 17 Einsatzstunden absolviert. An Bord der Maschine befanden sich 7 Personen: Kommandant Sergeant Geoffrey Francis Clark, Bordingenieur Sergeant Ralph Parkinson, Navigator Sergeant Donald William Walker, Funker Sergeant William Edward Whitmarsh sowie Bombenschütze Sergeant Arthur Edward Nayler, Schütze Sergeant Charles Ronald Harrison und Schütze Sergeant Frank Arthur Sugden.


In den frühen Morgenstunden des 24. Dezember 1943 wurde der englische Bomber in 6.000 m Höhe von einem deutschen Nachtjäger südlich von Berlin abgefangen und unter Beschuss genommen. Die Schützen der Lancaster feuerten aus den acht 7,7 mm Maschinengewehre, die in Zwillingstürmen in der Nase des Flugzeugs, auf der Rumpfoberseite sowie im hinteren Vierlingsturm installiert waren. Doch ihre Maschine war vernichtend getroffen. Mit brennenden Tanks versuchte die Besatzung eine Notlandung. Um 4.10 Uhr stürzte das Flugzeug in den Motzener See. Es wird angenommen, dass Leutnant Georg Fenk von der 11. Staffel des Nachtjagdgeschwaders 5 (11. /NJG 5) die Lancaster abgeschossen hat. Bei dem Aufprall auf das Wasser soll es eine Explosion gegeben haben, wissen die Bürger aus Motzen und Kallinchen zu berichten. Im Heimatmuseum von Motzen stieß ich auf folgenden Augenzeugenbericht des Herrn Herbert Siecke:


"Es war wieder einmal Fliegeralarm des Nachts im Dezember. Ich war damals 16 Jahre alt u. eingeteilt als Melder am Gemeindehaus im Splittergraben. Anwesend war der Luftschutzwart P. Rudolph sowie der Leiter der Feuerwehr W. Hahn. Es war bewölkt u. windig, plötzlich hörten wir über den Wolken Flugzeuggeräusche, MG Salven und Schüsse der Bordkanone des Nachtjägers der den britischen Bomber zum Absturz brachte. Sehr starke sausende Geräusche setzten darauf ein, wir gingen mit den Köpfen immer tiefer in unserem Splittergraben, es folgte ein Feuerinferno und Explosion bevor das Flugzeug in den Motzener See verschwand. Das brennende Kerosin bedeckte die ganze Absturzfläche. Bald danach gab es Entwarnung, dann sind wir sofort mit der Feuerwehr zur Badestelle der Siedlung gefahren. Dort fanden wir hunderte von toten Fischen, Flugzeugteile und einen offenen Fallschirm der in Richtung Ufer trieb. Um Hilfe zu leisten haben wir einen Kahn, Spaten der Feuerwehr als Ruder, um zu dem Fallschirm zugelangen. Es war wie gesagt stürmisch und starker Wellengang, wir hatten alle Mühe den leeren Fallschirm in den Kahn zu bekommen. Der Fallschirm u. Teile des Flugzeugs wurden ins Haus der Feuerwehr gebracht u. abgeholt. Diese Nacht und den Einsatz werde ich nie vergessen."


Wrackteile und Modell des Lancaster-Bombers



Die sieben Besatzungsmitglieder überlebten den Absturz nicht. Der Kommandant Clark sowie die Schützen Nayler, Harrison und Sugden sind auf dem Commonwealth Kriegsgräber-Friedhof in Berlin-Charlottenburg (Gräber 5.E.7 bis 5.E.10) beigesetzt. Bordingenieur Parkinson, Navigator Walker und Funker Whitmarsh gelten bis heute als vermisst. Ihnen wird am Runnymede Memorial gedacht.



Die Grabsteine der geborgenen Besatzung des Motzener See Wracks auf dem Kriegsgräber-Friedhof in Berlin-Charlottenburg.


Anfangs hatten wir nur sehr spärliche Informationen über die Absturzstelle. Es ist lediglich eine Karte veröffentlicht, die die vermeintliche Absturzstelle darstellt und einen markanten Baum am Ufer bei Kallinchen sowie einen Steg auf der gegenüberliegenden Seeseite als Peilpunkte angibt.


Beim ersten Tauchgang suchten wir die vermeintliche Absturzstelle nach dem Zufallsprinzip ab. Diese Suchmethode bescherte uns einen einstündigen Tauchgang über schlammigen, leicht aufwirbelnden Bodensediment in Dunkelheit und Kälte. Nur ein einziges Mal schlug mein Herz schneller, als der Schein meiner Lampe in der Dunkelheit auf ein größeres Objekt stieß. Aufgrund der schlechten Sicht war erst einen halben Meter vor meiner Maske zu erkennen, dass es sich um ein im Schlamm steckendes Ruder handelte.





Den zweiten Tauchgang planten wir besser. Wir erhielten weitere Hinweise zur Absturzstelle. Mehrere Flugzeugteile an der Fischerhütte zeugen davon, dass er nicht nur Fische aus den Tiefen des Sees gezogen hatte. Er zeigte uns die Stelle, auf die wir unsere Suche konzentrieren sollten. Tatsächlich fanden wir auf der gegenüberliegenden Seeseite ein großes, tief im Schlamm steckendes Flugzeugteil. Glücklich fuhren wir nach Hause, denn durch den Fund sind wir sicher, die Absturzstelle des britischen Lancaster-Bombers gefunden zu haben.


Bereits Anfang der 1960iger Jahre suchten Taucher nach dem Wrack. Dabei soll es auch zu einem tragischen Unfall gekommen sein. Man fand damals ein breit zerstreutes Trümmerfeld vor, dessen Lage im Artikel "Flugzeugtrümmer im Motzener See" (Poseidon 9/1963, S. 1 ff.) beschrieben wird. Es wird berichtet, dass Schüler aus Motzen die damals geborgenen Trümmerteile zum Schrotthändler gebracht haben sollen und weitere Bergungsaktionen geplant waren. Offensichtlich sind noch größere Einzelteile im See verblieben. Es bleibt zu hoffen, dass diese Reste des Flugzeugs nicht auch noch verschwinden. Ein solches Schicksal hat leider das Wrack des B-17-Bombers im Liepnitzsee ereilt.


Fest ans Blech angenietete Ausgleichsgewichte


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