Eine nahe Begegnung mit einem Hai zählt sicherlich zu einem der unvergesslichen Momente im Leben. Vor St. Maarten sind diese wunderschönen Raubfische überall zu finden. Mit ein bisschen Glück kann man bei einem Tauchgang Dutzende dieser faszinierenden Tiere treffen.
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In Holland aufwachen, in Frankreich speisen und am Abend wieder heim zu niederländischen Ufern? Das ist auf St. Maarten nur ein Katzensprung. Die 96 Quadratkilometer große Insel hat eine absolute Einzigartigkeit: Nur hier in der Karibik gibt es einen Grenzübergang zwischen Frankreich und den Niederlanden. Während der Norden der Insel St. Martin (52 qkm) zum französischen Departement Guadeloupe gehört, ist das südliche Sint Maarten (37 qkm), Teil der Niederländischen Antillen, zu denen auch Aruba, Bonaire und Curacao gehören. Damit ist St. Martin/St. Maarten das kleinste von zwei Nationen verwaltete Stück Land der Welt. Und das schon seit 350 Jahren.
Stellen Sie sich vor, Sie liegen am Strand und ein Flugzeug fliegt nur knapp über Ihren Kopf hinweg
Unter Flugzeugfans ist St. Maarten vor allem für den legendären Flugzeugstrand Maho Beach bekannt, der genau in der Einflugschneise des Princess Juliana Airports liegt. Nirgendwo in der Welt kann man landenden Flugzeugen so nah kommen wie hier. Es ist, als könnte man hochspringen und sie berühren. Die Maschinen überqueren den Strand in einer Höhe von etwa zehn bis zwanzig Metern. Unzählige Badegäste winken den Jets beim Landeanflug zu. Damit man auch keinen großen Flieger verpasst, gibt es extra an einer Bar am Strand eine Surfbrett-Tafel, die täglich die Uhrzeiten aller landenden Flugzeuge auflistet. Waghalsige Adrenalinjunkies stellen sich direkt in den Abgasstrahl der startenden Flugzeuge. Selbst Personen die nicht unmittelbar und direkt hinter dem startenden Flugzeug stehen können sich kaum auf den Beinen halten.
Wer Haie mag, der kann beim Tauchen vor St. Maarten besonders viel Vergnügen haben
Einen höheren Kick an Adrenalin und Spannung verspricht die Begegnung mit einem Hai. Gilt er doch als lautloser Killer aus der Tiefe, als hirnlose, blutrünstige Fressmaschine. Bei Tauchgängen vor St. Maarten kann man diesen eleganten Räubern ganz nahe kommen und wird schnell merken, dass die Tiere sich sehr ruhig verhalten, sehr neugierig und nicht aggressiv sind.
Vor allem Karibische Riffhaie und Ammenhaie kommen hier vor, aber auch große Barrakudas, Stech- und Adlerrochen sowie Meeresschildkröten fühlen sich in den klaren, blauen Gewässern um St. Maarten überaus wohl und sind keine Seltenheit. Ein Großteil der Gewässer um die Insel steht unter dem Schutz von Umweltbehörden wie der Dutch Nature Foundation und der French Reserve Naturelle.
Eine gute Alternative für Kreuzfahrer – das Scuba Fun Dive Center in Nähe des Kreuzfahrtterminals
Für unsere Tauchgänge hatten wir das Scuba Fun Dive Center gewählt, ein 5* PADI Dive Resort, das sich in der Great Bay Marina in Philipsburg befindet. Vor allem für Kreuzfahrer, die individuell buchen und ihren Tauchgang in kleinen Gruppen unternehmen wollen, bietet die Basis eine sehr gute Alternative zur Massenabfertigung der großen Kreuzfahrtgesellschaften. Die Gruppen bestehen aus max. 6 Personen, wir hatten sogar das Glück, nur zu zweit + Guide zu tauchen. Mir taten die Taucher einer AIDA-Gruppe etwas leid, die zu zwölft im Gänsemarsch durchs Riff geschleust wurden.
Vom Kreuzfahrtschiff-Terminal ist es nur ein kurzer, 5 minütiger Weg bis zu Basis. Links raus und die Hauptstraße entlang bis zum Chesterfields Restaurant. Die Tauchbasis befindet sich an der rechten Ecke im gleichen, gelben Gebäude.
Abtauchen im Man of War Shoal Marine Park
Knapp 50 Tauchplätze gibt es vor St Maarten. Die Sichtweiten liegen bei 30 bis 45 Metern. Scuba Fun Dive startet täglich morgens und mittags Ausfahrten zu den Tauchplätzen, vor allem in den nahegelegenen Man of War Shoal Marine Park. Die Tauchplätze sind schnell zu erreichen, die Fahrtzeit beträgt selten mehr als 15 Minuten.
Das am südlichen Ende der Insel gelegene Schutzgebiet ist 31 Quadratkilometer groß und wurde 2010 gegründet. Reichbewachsene Korallenblöcke wechseln sich hier mit Sandflächen ab, die von Riffformationen begrenzt sind. Es gibt Felsblöcke, Höhlen und Kanäle. Zusätzlich gibt es auch Schiffwracks, die als künstliche Riffe dienen. Vor allem das Proselyte Reef, an dem 1801 ein spanisches Kriegsschiff sank, ist ein beliebter Tauchplatz. Zahlreiche Artefakte wie große Anker, Kanonen, Fassreifen, Kanonenkugeln und Töpferwaren sind noch immer hier zu finden.
Unser erster Tauchplatz heißt Shark Hotel. Und der Namen ist Programm. Kaum abgetaucht zieht ein erster großer Riffhai gemütlich über den Sandgrund. Große Barrakudas (Sphyraena barracuda) kommen nahe heran, viel näher als ich es von anderen Tauchgängen gewöhnt bin. Unser Guide erklärt später, dass an diesem Tauchplatz vor Jahren Hai-Fütterungen durchgeführt wurden, diese aber schon lange Zeit nicht mehr praktiziert werden.
Der Boden am Shark Hotel ist bewachsen mit Gorgonien, Horn- und Fächerkorallen, die sanft in der Strömung wiegen. Dazwischen schwimmen Perlen- und Wabenkofferfische, Igelfische, Feilenfische und farbenfrohe Papageifische. Große Langusten verstecken sich in den Riffspalten, während Schleimfische auf den vereinzelten Hirnkorallen sitzen und ihre Gelege bewachen. Stechrochen (Dasyatis americana) haben sich gut getarnt im Meeresboden vergraben, nur kleine Löcher im Sand verraten sie. Kurznasen-Makrelen (Trachinotus falcatus) ziehen durch das offene Wasser.
Im Jahre 2013 wurde eine erste ökologische Bewertung des Man of War Shoal Marine Parks durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass bereits drei Jahren nach der Errichtung des Schutzgebiets die Fischpopulation, einschließlich Schmetterlingsfischen, Grunzern, Schnappern und Papageifischen um 10% bis 20% angestiegen ist. Eine deutliche Zunahme um 20% war bei den Zackenbarschen, vor allem beim Nassau-Zackenbarsch (Epinephelus striatus), zu verzeichnen. Dies ist wohl dem Verbot der Befischung zu verdanken.
Die Präsenz von Haien ist ein gutes Zeichen
Haie tragen dazu bei, den Ausbruch von Krankheiten innerhalb der Fischbestände zu verhindern, indem sie kranke Tiere fressen, bevor diese den Rest des Schwarms anstecken können. Demzufolge ist eine große Anzahl an Haien, die man während eines Tauchgangs antrifft, ein Indikator für die anhaltende Stabilität und das gesunde Umfeld des maritimen Ökosystems.
Haie sind neugierige Tiere
Am Shark Hotel konnte ich zahlreiche Karibische Riffhaie (Carcharhinus perezi) beobachten. Von kleinen Babyhaien bis zu über zwei Meter langen Exemplaren. Zeitweise umkreisten uns sechs große Räuber gleichzeitig. Die kräftig gebauten Haie schienen an uns drei Tauchern interessiert zu sein und beobachten neugierig das merkwürdige Treiben in ihrem Revier. Dabei kamen sie uns oftmals sehr nahe, schwammen direkt auf uns zu, um erst kurz vor uns wieder abzudrehen. Dieses Verhalten hat jedoch nichts mit Aggressivität zu tun. Es liegt in der Natur der Tiere, dass sie sich unbekannten Objekten auf kurze Distanz nähern und dann wieder abdrehen.
Wie andere Riffhaie auch, werden Karibische Riffhaie oft dabei beobachtet, wie sie die Kiefer ausstülpen und „Gähnen“. Dabei handelt es sich aber nicht um ein Drohverhalten. Der Hai versucht lediglich die Kiefer zu justieren, nachdem er gefressen hat. Ein weiteres interessantes Verhalten ist das Kiemenspreizen, wobei Wasser durch die Kiemen gedrückt wird, um die Innenregionen von hängengebliebenen Fischresten zu reinigen.
Männliche Karibische Riffhaie werden bis zu zwei Meter lang, Weibchen sind mit bis zu drei Metern etwas größer. Die Seiten der Tiere sind bronzefarben, der Rücken bräunlich bis braungrau, der Bauch ist weiß.
Normalerweise sind die Haie für den Menschen nicht gefährlich. Unfälle mit dieser Art sind zwar bekannt, wenn man sie aber nicht bedrängt, in die Enge treibt oder reizt, hat man kaum etwas zu befürchten. Unfälle sind in der Regel auf natürliche Abwehrreaktionen der Tiere zurückzuführen. Bei provozierten Angriffen gehören zum Beispiel Geräusche, hastig-nervöse Bewegungen, glitzernde Gegenstände oder Metallteile zu den angriffsauslösenden Faktoren.
Das Labyrinth
Der zweite Tauchplatz liegt nur wenige Meter entfernt und hieß Maze – das Labyrinth. Wie der Name schon vermuten lässt, taucht man hier wie durch einen Irrgarten die Riffformationen entlang. Auch hier herrschen Gorgonien, Horn- und Fächerkorallen vor. An einigen weideten die zu den Eisschnecken gehörenden Flamingozungen (Cyphoma gibbosum).
Von Großfischen traf ich auch hier auf Karibische Riffhaie, große Barrakudas und Amerikanische Stechrochen. An einer Felsformation querte ein kleiner Ammenhai unseren Weg.
Atlantische Ammenhaie (Ginglymostoma cirratum), im Englischen „nurse shark“ genannt, kommen im Gebiet des Westatlantiks und der Karibik von Rhode Island bis nach Brasilien vor. Bei der Geburt sind sie kaum dreißig Zentimeter lang, erreichen aber im Laufe ihres Lebens Größen von über vier Metern. Die erwachsenen Tiere sind nahezu einfarbig bräunlich oder graubraun gefärbt, während die Jungtiere meist noch schwarz gefleckt sind. Dabei ähneln Ammenhaie der gängigen Vorstellung von Haien recht wenig. Im Querschnitt sind sie fast kreisrund und der lange Schwanz ist am Ende kaum nach oben gebogen. Ihr Brustbereich und der Rücken sind etwas flach. Im Maulbereich befinden sich kurze Bartfäden, die als Tastorgane dienen und dem Hai die Suche nach Beute erleichtern.
Insgesamt wirken Ammenhaie etwas träge und langsam. Sie sind im Allgemeinen friedfertige Tiere, gelten dennoch als potentiell gefährlich. Unfälle ereignen sich vor allem aus einem Abwehrverhalten, wenn Badende zufällig auf sie treten, oder wenn Taucher sie am Schwanz ziehen, um sie aus ihren Schlafplätzen unter Korallen oder Felsüberhängen zu locken. Da versteht selbst der große, aber harmlose Ammenhai kein Spaß.
Fazit zum Hai-Tauchen
Ganz nahe an diesen faszinierenden Meeresbewohner heranzuschwimmen, ist nicht nur ein aufregendes Erlebnis, sondern vielmehr eine bewegende Begegnung, die auch noch nach dem eigentlichen Hai-Tauchgang präsent sein wird.
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