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Auf der Suche nach Rethra

Aktualisiert: 6. Jan.

Unterwasserarchäologie am Breiten Luzin bei Feldberg (1967)


Seit über einhundert Jahren suchen Archäologen, Heimatforscher und Hobbyschatzjäger Rethra. Die slawische Tempelburg war religiöser, politischer und militärischer Mittelpunkt der nordostdeutschen Slawenstämme. Rethra wurde als Start- und Zielpunkt für slawische Kriegszüge genutzt. Die Feldzeichen wurden im Tempel aufbewahrt und nur in Kriegszeiten von dort entnommen. Berichtet wird auch von einem „Tempelschatz“. Nach jedem siegreichen Ausgang eines Feldzuges soll im Tempel ein Teil der Beute niedergelegt worden sein. Im Jahre 983 wurde von Rethra aus der Slawenaufstand koordiniert. Die Slawen zerstörten zunächst den Bischofssitz in Havelberg und eroberten drei Tage Brandenburg, den Sitz des Markgrafen. 

An mehr als 30 Orten wurde Rethra bisher vermutet. Doch sicher lokalisiert wurde das Slawenheiligtum bisher nicht. Bis in die frühen 1950er Jahre hinein glaube man, dass Rethra auf dem Schlossberg von Feldberg gelegen habe. Zu diesem Ergebnis war der berühmte Archäologe C. Schuchhardt (1859–1943) nach seinen Untersuchungen von 1924 gelangt. Doch sicher war die Ansetzung Rethras auf dem Schlossberg von vornherein nicht, da der Tempel selbst nicht gefunden wurde. Die Festlegung wurde zunehmend in Frage gestellt, was 1967 den Anlass gab, erneut Ausgrabungen auf dem Schlossberg bei Feldberg durchzuführen. Joachim Herrmann hoffte durch weitere Untersuchungen einer Klärung näherzukommen. Da der Breite Luzin den Feldberger Schlossberg auf zwei Seiten umgibt, lag es nahe, bei der Vorbereitung der archäologischen Forschungen auch an den Einsatz der Unterwasserforschung zu denken. Die Unterwasserarbeiten wurden der Arbeitsgemeinschaft für Unterwasserforschung der Akademie der Wissenschaften zu Berlin unter der tauchtechnischen Leitung von Dr. Martin Rauschert und unter Mitarbeit vom M. Nauenburg, Klaus Hamann, Alfred Kupke, W. Richter und Peter Scharf durchgeführt.

Nordwestlich des Burgwalls gab es eine ruhige Bucht, von der ein Hohlweg auf das nördliche Burgtor hinführte. Dies ließ darauf schließen, dass sich dort ursprünglich ein zur Burg gehörender Hafenbereich befand.


Blick auf den Schlossberg am Breiten Luzin (2021)


Auch fanden sich Spuren eines Pfades, der von der wahrscheinlichen Kultstätte im Osten zum See führte. An diesen beiden Stellen wurde mit den Taucharbeiten begonnen. Die Taucher fanden in den Sedimenten des Seegrundes neben Spuren des slawischen Burgenbaus auch Teile von sieben Fischreusen. Die aus dünnen, zugeschnitzten Kiefernholzleisten bestehenden Reusen hatten eine Länge von etwa 0,8 m. Die Entdeckung von Reusen aus der slawischen Zeit und in so großer Zahl war bis dahin ohne Beispiel. Des Weiteren fanden die Taucher die Überreste eines Einbaums. In slawischer Zeit war der Einbaum das wichtigste Fahrzeug auf den Binnengewässern. Der etwa 3,5 m lange Einbaum bestand aus einem massiven Eichenstamm von etwa 0,5 m Durchmesser. Erhalten waren nur größere Teile des Bodens und des nicht ausgehöhlten Burgteils; die übrigen Teile wie die Seitenwände waren verwittert. Die Unterwasserfunde ergänzten die archäologischen Forschungen und trugen zum Verständnis der Lebens- und Produktionsbedingungen der Bewohner des Burgwalls auf dem Schlossberg bei. Die Ausgrabung in Feldberg führte letztlich zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Befestigung um eine slawische Höhenburg aus dem 8./9. Jh. gehandelt hatte. Die Burg war also bereits vor der Existenzzeit Rethras verlassen. Die Suche nach der sagenhaften Tempelburg der Slawen geht also weiter.


Weitere Informationen zu den Forschungen 1967: Roger Blum, Hinab in die Vergangenheit, Berlin (2022)





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