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Unterwegs im Nordmeer (Teil 1): Im Reich der Riesenkrabben, Wale und Eisbären

Aktualisiert: 20. Jan.

Die Arktis ist die faszinierende Landschaft jenseits des Polarkreises. Lange Zeit des Jahres herrscht hier Dunkelheit und ist sie bedeckt von Eis und Schnee. Doch im Sommer liegt das Gebiet durchgehend im Strahlungsbereich der Sonne. 24 Stunden am Tag kann man jetzt Tauchen und die einzigartige Tierwelt beobachten. Nur Nachttauchgänge sind nicht möglich. Oder zählt ein Tauchgang unter der Mitternachtssonne als Nachttauchgang? Ein Bericht von einer Reise ans nördliche „Ende der Welt“.



Unser Schiff überquerte den nördlichen Polarkreis. Die imaginäre Linie, die bei 66° 33´ 51´´ quer übers Meer verläuft, trennt die Polarzone von den gemäßigten Breiten. Wie es in der Seefahrt Tradition ist, erschien Neptun an Bord und wir Polarneulinge erhielten unsere Polartaufe. Nachdem ich grünen Schleim gegessen, einen „Algencocktail“ getrunken und Eis ertragen hatte, erhielt ich Neptuns Segen zur Weiterfahrt nach Norden.



Am Nordkap – (K)ein Nachttauchgang im Land der Mitternachtssonne


Wir erreichten Honningsvag, einen kleinen Fischerort auf der Nordkapinsel Mageröya. Die mehr als 500 km nördlich des Polarkreises gelegene Insel ist von karger und rauer Schönheit. Von hier aus sind es nur noch 34 km zum berühmten Nordkap. Das ca. 300 m abfallende Schieferplateau befindet sich auf 71° 10´ 21´´ nördlicher Breite und gilt als der nördlichste Punkt Europas. Natürlich stattete ich dem Kap einen kurzen Besuch ab. Es herrschte dichter Nebel und regnete. Der auf dem Nordkapplateau aufgestellte Globus war nur schemenhaft zu erkennen. Er markiert das nördliche „Ende der Welt“. Dass sich der nördlichste Punkt des europäischen Festlandes dort gar nicht befindet, sondern knapp 1,3 km weiter am benachbarten Kap Knivskjelodden, stört offensichtlich niemanden. Für 65 Kronen erhielt ich das Nordkap-Zertifikat, im dem bestätigt wurde, dass ich den nördlichsten Punkt Europas erreicht habe.


Einfahrt in den Hafen von Honningsvag. Der Globus auf dem Nordkapplateau markiert den nördlichsten Punkt Europas


Ich wollte so schnell als möglich die Unterwasserwelt erkunden. Es war längst mitten in der Nacht, aber glücklicherweise wird es hier im Sommer nie dunkel. Meine innere Uhr war ganz schön durcheinander. Durch das Fehlen der Nacht verspürte ich keine Müdigkeit. Gegen Mitternacht packte ich Maske, Flossen und natürlich den Trockenanzug ein und lief durch Honningsvag. Der kleine Ort ist die bedeutendste Fischereisiedlung der westlichen Finnmark, wovon Fischverarbeitungsfabriken und Werftbetriebe zeugen.



Obwohl es bewölkt war und immer wieder nieselte, war es noch hell. In dem kleinen Fischerort war bereits Stille eingekehrt als ich mich auf die Suche nach einer geeigneten Einstiegsstelle zum Tauchen begab. Ich fand einen etwa 200 m langen Strand außerhalb des Hafens in einer halbkreisförmigen Bucht. Der Untergrund bestand aus von den Wellen rund geschliffenen, etwa faustgroßen schwarzen Gesteinsbrocken.



Am Strand fand ich die Schalenreste einer Königs- bzw. Kamtschatkakrabbe (Paralithodes camtschaticus). Die Tiere können bis 1,8 m groß und 12 kg schwer werden. Sie lebten früher nur im Nordpazifik und wurden in den 1960iger Jahren von russischen Forschern in der Barentssee angesiedelt. Man wollte eine preisgünstige Proteinquelle schaffen, denn ihr Fleisch ist sehr schmackhaft. Günstige Bedingungen förderten dann die explosionsartige Vermehrung der Krabbe. Sie hat aufgrund ihrer stattlichen Größe nur wenige Fressfeinde. Mittlerweile ist die Art bereits bis zu den Lofoten vorgedrungen. Es wird befürchtet, dass die Ausbreitung der teilweise als „Stalinkrabbe“ bezeichneten Art einen erheblichen Schaden am Meeres-Ökosystem anrichten kann. Bisher werden aber nur wenige Anstrengungen unternommen, die Ausbreitung zu stoppen, denn der Fang der Königskrabbe stellt einen bedeutenden Wirtschaftszweig der Region dar.



Der Anblick der Unterwasserwelt faszinierte mich. Im Uferbereich hatten sich auf dem steinigen Meeresboden allerlei Grün-, Braun- und Rotalgen angesiedelt, vor allem Blasentang. Auf den Blättern der Pflanzen finden sich mit Gas gefüllte Blasen, die den Auftrieb herstellen und den Stamm aufrecht halten. Am steinigen Meeresboden ist der Tang mit dünnen, wurzelartigen Auswüchsen, einer Art Haftkralle, verankert. Der Pflanzenbereich bietet Lebensraum für eine Vielzahl von Fischen und Wirbellosen: Seesterne, Schnecken, Muscheln, Einsiedlerkrebse und Krabben tummelten sich im Wasser. Eine Groppe schaute mich mit großen Augen an.



Eine Königskrabbe sah ich leider nicht, dafür kleine Einsiedlerkrebse und eine mit Seepocken besetzte, grün schimmernde Krabbe. Es handelte sich um eine Strandkrabbe (Carcinus maenas). Die Färbung ist vor allem abhängig vom Alter und der Zeit, die seit der letzten Häutung vergangen ist. Bei Tieren, die sich oft häuten, also den Panzer regelmäßig wechseln, ist die Färbung der Oberseite grünlich. Daher stammt auch der englische Name Green Crab.



Die längste Zeit im Jahr findet man hier in Honningsvag Eis und Schnee, aber jetzt im Sommer kann man die Unterwasserwelt erkunden. Das eiskalte Wasser der Barentssee machte sich bald bemerkbar, doch ich war froh, einen kurzen Blick unter die Wasseroberfläche stecken zu können.


Die Bäreninsel – Einsame Insel in der Barentssee


Mit jeder Seemeile, die wir zurücklegten, wurden Luft und Wasser kälter. Auf halben Weg zwischen Nordkap und Spitzbergen passierten wir die Bäreninsel. Die 178 Quadratkilometer große Insel ist – abgesehen von einigen Forschern – unbewohnt. Das karge Eiland war lange Zeit Niemandsland. Die Insel wurde nur ab und zu von Wal- und Robbenjägern besucht. Erst seit Unterzeichnung des Spitzbergenvertrages im Jahre 1920 gehört sie zum norwegischen Territorium Svalbard (Spitzbergen).


Blick auf die Südspitze der Bäreninsel


Eissturmvögel begleiteten unser Schiff. Sie glitten mit steifen, ausgestreckten Flügeln über die Wellen. Wir befanden uns weit abseits der Zivilisation in der westlichen Barentssee. Plötzlich tauchten Wale auf. Eine ganze Herde der großen Meeressäuger zog an uns vorbei. Die Bäreninsel und das umgebene Meeresgebiet wurden im Jahre 2002 zum Naturschutzgebiet erklärt.


Wale voraus


Als wir die Südspitze Spitzbergens erreichten, konnte ich wieder eine große Herde Wale beobachten. Die Tiere schlagen sich hier im arktischen Sommer den Bauch voll. Es war ein herrlicher Anblick, das Blass der Wale beim Auftauchen und deren große Schwanzflosse beim Abtauchen zu sehen, während die Mitternachtssonne Himmel und Meer in sanften Orangetönen erschienen ließ. Der Sommer nördlich des Polarkreises ist einfach beeindruckend.


In den Gewässern Spitzbergens sind folgende Walarten anzutreffen: Mink- und Finnwale, Pottwale, Buckelwale sowie Grönlandwale, eine bis 19 m lange Art der Glattwale, die über 200 Jahre alt werden kann. Sogar den größte Meeressäuger überhaupt, den riesigen Blauwal, zieht es hierher. Die Wale wandern im Frühjahr nordwärts bis an den Rand des Packeises und ziehen im Herbst und Winter wieder südlich in gemäßigte Bereiche. Darüber hinaus leben hier Orcas, Belugas und die eigentümlichen Narwale. Auch Delfine – genauer gesagt Weißschnauzendelfine aus der Gattung der Kurzschnauzendelfine – sind im Sommer in den arktischen Gewässern um Spitzbergen regelmäßig anzutreffen. Ich habe gelesen, dass aufgrund des zurückgehenden Packeises die Delfine immer häufiger auch im Winter in dem Gebiet bleiben. Da sie zum Atmen ständig an die Oberfläche müssen und dann die Luftlöcher der Robben benutzen, stellen sie eine willkommene Bereicherung des Speisezettels der Eisbären dar.


Im Reich des Eisbären


Spitzbergen ist das Reich des Eisbären. Er ist das größte an Land lebende Raubtier. Man zählt den Eisbären – wie der lateinische Name Ursus maritimus zeigt – auch zu den Meeressäugern. Die meiste Zeit verbringen Eisbären auf dem Packeis auf der Jagd nach Ringel-, Bart- und Sattelrobben. Im Sommer, wenn das Eis schmilzt, schwimmen bzw. wandern die meisten Eisbären weiter Richtung Norden. Sie sind hervorragende Schwimmer. Doch sollte man auch im Sommer nicht sorglos herumspazieren, denn einige Eisbären bleiben auch im Sommer an der Küste. Auf Spitzbergen besteht überall die Möglichkeit bzw. das Risiko einer Eisbärenbegegnung. Deshalb ist bei Ausflügen außerhalb von Ortschaften stets ein Gewehr mitzuführen. Selbst in Longyearbyen sind Begegnungen mit Eisbären nicht hundertprozentig ausgeschlossen.



Auf Spitzbergen leben etwa 2.500 Menschen, 3.000 Eisbären, 10.000 Spitzbergen-Rentiere und mehrere Tausend Robben und Walrosse. Das Walross ziert übrigens das Logo des Longyearbyen Dykkerklubb, des Tauchvereins von Spitzbergen (Kontakt: lonyearbyen.dykkerklubb@gmail.com, Stand: Juli 2017)



Longyearbyen Spitzbergen




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