top of page

Torpillen

Ein Bericht von Jürgen Schmidt


Gern erinnere ich mich zurück an die „wilden Tauchjahre“ im Heinitzsee Anfang der 1950er Jahre, an die Tauchexpedition 1954 zu Weltkriegswracks in der Ostsee und die  Höhlentauchexpedition in die Heimkehle 1958. Vielfältig waren die Eindrücke, spannend und mitreißend manche Situationen, die wir erlebten.

1956 hatte ich im Deutschen Fernsehfunk der DDR einen Zirkel für Unterwasserfilm und –fotografie gegründet. Es begann das große Bauen aller zum Tauchen und Filmen benötigter Technik. Schritt für Schritt verfeinerten wir unsere Arbeitsmethoden und die dabei verwendeten Hilfsgeräte. Zu dieser Technik gehörten auch selbstgebaute „Torpillen“. Das sind kleine, torpedoförmige Taucher-Unterwasserfahrzeuge, mit denen der autonome Taucher seinen Arbeitskreis wesentlich erweitern konnte.


Lichttorpille


Die erste Torpille wurde im Jahre 1952 von Dimitri Rebikoff konstruiert. Er war ein Pionier in der Entwicklung von Unterwassertechnik und ein Vorbild für uns technikbegeisterte Taucher. Sein Buch „Licht im Meer“ aus dem Jahre 1955 wurde sozusagen unser Standardwerk. In dem Buch beschreibt er auch eine Weiterentwicklung der Torpillen, den von ihm 1953 entwickelten Tauch-Transporter PEGASUS.

Der PEGASUS hatte mit einer Länge von 2,30 Metern und einem Durchmesser von 19,3 Zentimetern den bewährten torpedoähnlichen, überschlanken Körper. Der Taucher lag langgestreckt auf dem Rücken des PEGASUS. Das Seitenruder wurde mit den Füßen bedient, das Tiefenruder über einen Steuerknüppel betätigt. Dem Gewicht von 40 kg stand eine Wasserverdrängung von etwa 40 l entgegen. Das Gleichgewicht wurde mit Ballast so genau reguliert, dass die Torpille je Sekunde höchstens um einige Zentimeter sank. Diese Eigenschaft erlaubte es dem Taucher, während der Tauchfahrt Kontrollen und sogar kleine Reparaturen auszuführen. Bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von etwa 4 Knoten konnte der PEGASUS über einen Zeitraum von 3 Stunden in den verschiedensten Tiefen „geflogen“ werden. Es konnten sehr scharfe und enge Wendungen und bereits in 6 Meter tiefem Wasser vollständige Loopings ausgeführt werden.

Was stand uns zur Verfügung? Wie konnten wir mit unserem damaligen Know-how unserem Verlangen nach freibeweglichen, kräftesparenden Fortbewegungsmitteln unter Wasser entgegenkommen?

Zunächst einmal mangelte es nicht, so denke ich, an Anregungen in technischer Hinsicht. Da solche Geräte in der DDR kaum industriell gefertigt werden würden, blieb nur der Eigenbau. Mit der Konstruktion unserer eigenen Torpille versuchten wir mit einfachsten Mitteln einen kleinen bescheidenen Schritt in Richtung PEGASUS zu tun.

 

Hierzu einige technischen Einzelheiten:

 

Der Torpillenkörper bestand aus 5 Millimeter starkem Vinidurrohr mit einem Durchmesser von 160 Millimetern. Die Vorteile des verwendeten Materials waren seine fast absolute Beständigkeit gegen Korrosion, das geringe Gewicht sowie die einfache und leichte Bearbeitung. Der Körper enthielt vier 12-V-Bleisammler von je 10 Ah. Der Akkuraum war vom Motorraum getrennt, die elektrische Verbindung wurde durch Steckkontakte hergestellt. Die Trennwand zwischen den zwei Räumen und die Abschlüsse am Bug- und Heckteil bestanden aus Aluminium, in das Nuten zur Aufnahme der Dichtungen eingefräst wurden.

Die außen am Körper liegenden drei Spannschrauben hielten die Torpillenteile zusammen. Die Abschlüsse am Bug- und Heckteil trugen hierzu drei nach außen geführte Nasen mit Bohrungen. Durch Lösen der Muttern an den Spannschrauben waren alle Teile der Torpille frei zugänglich.

Der 12-V-Motor mit 150 Watt Aufnahme gestattete über eine halbe Stunde Unterwasserfahrt und entwickelte eine Geschwindigkeit von etwa 3 bis 4 km/h. Die zweiflügelige Schraube stammte von einem Bootsmotor. Der umgebende Schraubenschacht schützte den Taucher vor Verletzungen. Die Schraubenwelle war auf einem Kugellager gelagert; zwei Kautasitringe dichteten sie zum Motorraum ab. Kopf- und Heckteil sowie der Schraubenschacht bestanden aus eloxiertem Aluminium. Im Kopfteil konnten zusätzlich Ballast- oder Auftriebskörper untergebracht werden. Der Schalter befand sich am Motorteil der Torpille.

Dieses etwa 1,50 Meter lange Torpedo wurde an beiden Griffen geführt. Es sauste bei der erfolgreichen Erprobung in „rasanter“ Fahrt gegen die Kachelwände des Stadtbades – was der Torpille zwar eine gehörige Beule am Kopfteil einbrachte, die uns aber noch lieber war als der Zorn des Badesmeisters über zerbrochene Kacheln…


Quelle: Roger Blum/Steven Blum, Schwerelose Zeiten - Tauchererinnerungen, Berlin (2020)



Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page