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Operation im Verborgenen - Interview mit Horst Kerzig

Bereits kurz nach Bildung der Nationalen Volksarmee im Jahre 1956 wurde im Kommando der Seestreitkräfte der DDR die Aufstellung einer Kampfschwimmereinheit diskutiert. Treibende Kraft war hier Konteradmiral Heinz Neukirchen. Nachdem GST-Taucher im August 1957 die Einsatzmöglichkeiten leichter Taucher eindrucksvoll demonstriert hatten, begannen die Planungen. Unter dem Begriff „Spezialtauchergruppe“ wurde 1958 mit dem Aufbau des Kampfschwimmerkommandos begonnen. Die Existenz dieser Einheit wurde lange Zeit geheim gehalten. Sie sollte im Verborgenen operieren. Erst zum 20. Jahrestag der DDR wurde das Kampfschwimmerkommando KSK-18 der Öffentlichkeit vorgestellt.



Horst Kerzig, von 1975 bis 1979 Kommandeur des Kampfschwimmerkommandos KSK-18, gewährt Einblicke in die Tätigkeit der Truppe.

 

R.B.: Sehr geehrter Herr Kerzig, lieber Horst, seit wann warst du beim Kampfschwimmerkommando?

 

H.K.: Von 1956 bis 1960 habe ich die Offiziersschule der Seestreitkräfte besucht. Nach der Ernennung zum Offizier wurde ich Ende November zum Kampfschwimmerkommando versetzt. Kommandeur war damals Kapitänleutnant Horst Förster, der das Kommando von Mai 1959 bis Dezember 1961 führte. Unterkunftsobjekt war zu dieser Zeit die Dienststelle Parow. Ende November 1961 wurden wir nach Kühlungsborn verlegt.

 

R.B.: Mit welcher Ausrüstung seid ihr damals getaucht?

 

H.K.: Getaucht wurde vor allem mit dem Kreislaufgerät Medi-Nixe vom VEB Medizintechnik Leipzig, von den Drägergeräten 138 standen nur 2 zur Verfügung. Kurt Klingbeil, der 1. Kommandeur des Kommandos, hatte bereits als GST-Taucher an der Erprobung des Gerätes teilgenommen. Er beschäftigte sich auch mit der Entwicklung eines eigenen Pressluftreglers, der sich am französischen Mistral-Regler orientierte.

 

Kapitänleutnant Förster wies bereits im September 1959 in einer Denkschrift auf den schlechten Zustand der vorhandenen Ausrüstung hin und der Umfang der Ausrüstung unzureichend war. Nach zwei tödlichen Unfällen mit der Medi-Nixe wurden diese für die Ausbildung gesperrt. 1960 konnte endlich mit der Fertigung der Klingbeil-Regler in der Werkstatt des Kommandos begonnen werden und entsprechend der Forderung Försters trafen die ersten nicht genutzten sowjetischen Kreislauftauchgeräte vom Typ ISA-M-48 von den importierten U-Jägern im Kommando ein. 1966 begann dann die Zuführung des sowjetischen Kreislaufgerätes IDA-57, die bis 1990 genutzt wurden. 1987 wurde das sowjetische Mischgastauchgerät IDA-71 U zugeführt, angedacht für die Minentaucher, wurde aber in der Gefechtsausbildung nicht mehr genutzt. Im Oktober 1961 wurden die sowjetischen Drucklufttauchgeräte AWM-1-M zugeführt. Anfang der 1970-er Jahre standen dann die ersten in der DDR gefertigten Hydromat-Geräte, noch mit 2-Schlauchregler ausgestattet, sowie einige komplett antimagnetische französische Bialu-Geräte mit Schlauchregler Mistral zur Verfügung.

 

Ein großes Problem der Anfangsjahre war der ungenügende Kälteschutz. Ab 1960 stand ein aus gummiertem Gewebe gefertigter zweiteiliger Trockenanzug zur Verfügung, unter dem als Wärmeschutz ein Wollanzug getragen wurde. Das Anziehen und das Wickeln der Leibmanschette war umständlich und zeitaufwendig – bei uns hieß er „Vatermörder“. Er hatte weder ein Belüftungs- noch Ablassventil. Um das Gewicht des Gewichtsgurtes in Grenzen zu halten, wurde Luft über Hals- bzw. eine Handgelenkmanschette abgelassen. An diesem Zustand änderten auch die ab 1961 aus DDR-Produktion zugeführten Pinguin-Trockenanzüge nicht viel. Im Mai 1962 erhielten wir über einen Sonderimport komplette Neopren-Nassanzüge aus Frankreich. Anfang der 70-er Jahre erhielten wir den komfortablen Trockentauchanzug „Unisuit“ der schwedischen Firma Poseidon Göteborg.

 

R.B.: Welche Voraussetzungen musste ein Bewerber mitbringen?

 

H.K.: Oberster Grundsatz war das Prinzip der Freiwilligkeit. Weitere Kriterien bildeten belastbare psychische Voraussetzungen und eine ausgeprägte physische Fitness. Eine Vorauswahl wurde durch den Bereich Org./Auffüllung des Kommandos der Volksmarine getroffen, bei der auf der Grundlage der Personalunterlagen vorwiegend politische Zuverlässigkeit und körperliche Voraussetzungen beurteilt wurden. In der Regel wurden dann die Ausgewählten 14 Tage vor Abschluss der militärischen Grundausbildung von der Flottenschule und Schiffsstammabteilung zum Kampfschwimmerkommando kommandiert, wo ein 14-tägiger Test- und Auswahllehrgang durchgeführt wurde. Am Anfang stand stets eine medizinische Tauglichkeitsuntersuchung durch den Arzt des Kommandos. Bei wenig Schlaf wurden dann in wechselnder Reihenfolge die o.g. Kriterien getestet. Die Ausfallquote lag bei etwa 80%. Die Dienstzeit für den KS-Unteroffizier betrugen 4 Jahre, wobei die ersten beiden Jahre der komplexen Ausbildung – Schwimm- und Tauchausbildung, Fallschirmsprungausbildung, militärische Nahkampfausbildung, Absetzen von schnellen Überwasserfahrzeugen, Schieß- und Sprengausbildung, Aufklärung und Orientierung im unbekannten Gelände - dienten. Nach Abschluss dieser 2 Jahre waren diese Männer für alle spezifischen Aufgaben einsetzbar.

 

R.B.:  Welche Hauptaufgaben hatten die Kampfschwimmer?

 

H.K.: Im Wesentlichen waren es 3 Hauptaufgaben:

- Aufklärung der Küste und des küstennahen Hinterlandes

- Durchführung von Diversionshandlungen auf Reeden und im Küstengebiet

- Sicherstellung von Seelandungen

 

Für den Erfolg waren strikte Geheimhaltung und Ausnutzung des Überraschungsmomentes Voraussetzung. Durch die direkte Unterstellung unter dem Chef der Volksmarine war dies gewährleistet.

 

Im täglichen Dienst kamen sicherstellende Aufgaben hinzu, wie z.B. im August 1968 die Suche nach einem untergegangenen Torpedoschnellboot. Bei Überprüfungen der Gefechtsbereitschaft von Verbänden und Einheiten der Volksmarine wurden Kampfschwimmer mit unterschiedlichen Aufgaben zur Gegnerdarstellung eingesetzt. So waren wir vor allem bei den Vorgesetzten dieser Verbände und Einheiten gefürchtet und galten als die „Buhmänner“ der Volksmarine.

 

Einzelne Episoden aus dieser Zeit sind im Buch „Die Kampfschwimmer der Volksmarine“ beschrieben.

 

R.B.: Wie groß war die Truppenstärke?

 

H.K.: 1958 begann das Spezialtaucherkommando mit 52 Mann, davon waren 29 KS-Planstellen. Am 1. Januar 1961, wir nannten uns nun schon Kampfschwimmerkommando, betrug die Personalstärke 107 Mann, davon 70 KS-Planstellen. 1986 hatten wir endlich die ausbildungsmäßige Trennung von Kampfschwimmern (4 Jahre) und Minentauchern (3 Jahre) erreicht. Die Personalstärke betrug 114 Mann, davon 80 KS- und MT-Planstellen.

 

R.B.: Woran erinnerst du dich besonders gern und wie ging es mit dir weiter?

 

H.K.: Besonders beeindruckt hat mich die ausgeprägte Kameradschaft zwischen allen Dienstgraden, in Übungen konnte man sich auf jeden 100 % verlassen. Später, als Kommandeur, schätzte ich das besondere Verständnis des Chefs der Volksmarine für die Spezifik der Truppe. Das wurde besonders in den sog. 4-Augen-Gesprächen deutlich. Schließlich war es dann der 20. Jahrestag der Aufstellung des Kampfschwimmerkommandos im April 1968, an dem wir alle viel Anerkennung und Achtung erfuhren.

Kurz zu mir: Nach dem Besuch der Militärakademie von 1969 bis 1972 wurde ich zunächst Stabschef, ab März 1975 Kommandeur des Kommandos. Zum Jahreswechsel 1978/79 überraschte mich die Mitteilung, dass ich für den militärdiplomatischen Dienst ausgewählt sei. Ab September 1979 ging es dann Schlag auf Schlag, 15 Monate Schulbank, von 1981 bis 1984 Gehilfe des Militärattaché´s in Rumänien, von 1985 bis 1990 Militärattaché in Vietnam.

 

R.B.: Bist du auch privat getaucht? Was war dein schönstes Taucherlebnis?

 

H.K.: Nachdem ich mich 1991 in dem nun vereinten Deutschland zurechtgefunden hatte, packte auch mich erneut die Tauchleidenschaft. Manchmal war es komisch, wenn dann Leute, die man selbst ausgebildet hatte, sagen wollten, wie es geht. Es gab sogar einige, die behaupteten, auch Kampfschwimmer gewesen zu sein. Sie wussten meist nicht, wo die Truppe stationiert war. Mein schönstes Taucherlebnis hatte ich auf den Malediven. Am sogenannten Manta-Point befanden wir uns gerade auf dem Riffdach. Aus dem Blauwasser tauchten dann Mantas auf und schwammen von Putzerfischen belagert über uns hinweg. Nach 40 Minuten mussten wir leider ans Auftauchen denken.

 

R.B.: Vielen Dank für das Interview.


Quelle:

Roger Blum/Steven Blum, Schwerelose Zeiten - Tauchererinnerungen, Berlin (2020)



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