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Märkisches Hollywood

Vor über hundert Jahren befand sich zwischen Woltersdorf und Rüdersdorf die größte Kulissenstadt Europas. Mehr als fünfzig Stumm- und Tonfilme wurden im "märkischen Hollywood" gedreht und nahezu alle bedeutenden Stars jener Zeit standen dort vor der Kamera. Vor allem die Kalksteinbrüche bei Rüdersdorf und die angrenzenden Seen waren beliebte Drehorte. Die schroffen Kalkwände boten täuschend echte Kulissen für Aufnahmen, die in fernen Gegenden wie Peru (für Fritz Lang), Ägypten (für Ernst Lubisch) oder Afrika (für Harry Piel) spielen sollten. Am Ufer des Rüdersdorfer Kalksees wurden für den Zweiteiler „Das indische Grabmal“ und „Der Tiger von Eschnapur" die Attrappen eines riesigen Maharatscha-Palastes und zwei Tempelanlagen im märkischen Sand errichtet. Hunderte Filmarbeiter und tausende Statisten bevölkerten in exotischen Kostümen das Filmset. Während der Filmaufnahmen sollen sogar eigens aus dem Berliner Zoo geliehene Krokodile in einem abgetrennten Becken geschwommen sein.  


Der Heinitzsee (um 1955)


Auch der Heinitzsee mit seinen senkrecht abfallenden Felsformationen und Klippen diente als Drehort zahlreicher Filmprojekte. In Fritz Lang's erstem Spielfilm "Der goldene See" aus dem Jahre 1919, in dem ein Abenteurer und Weltenbummler im Stile von Indiana Jones einem sagenhaften Goldschatz der Inkas hinterher jagt, stellte der Rüdersdorfer Kalksteinbruch das Reich der Inka dar. Die Szenen, in denen Stummfilmstar Lil Dagover den Goldschatz versenkt, wurden am Heinitzsee gedreht. Auch für den Abenteuerfilm „Sergeant Berry“ bot die bizarre Kalklandschaft rund um den See die ideale Kulisse. Die Handlung der turbulenten Kriminal- und Westernparodie aus dem Jahre 1938 mit Hans Albers in der Titelrolle spielt an der mexikanischen Grenze. Der lethargische Sergeant Mecki Berry (gespielt von Hans Albers) fasst durch Zufall den Gangsterkönig von Chicago und wird daraufhin - als Held gefeiert - mit großen Erwartungen undercover nach Mexiko geschickt, um eine Bande skrupelloser Drogenhändler zur Strecke zu bringen. Die Außenaufnahmen entstanden im Kalksteinbruch Rüdersdorf. Die Szenen am "mexikanischen" See wurden am Heinitzsee gedreht. Die Uferregion wurde mit einigen Kakteen auf Mexiko getrimmt. Vor allem ein Nacktbad des "blonden Hans" in dem Film sorgte damals für Furore. Ein Überbleibsel der Dreharbeiten haben die Rüdersdorfer Taucher Anfang der 1960er Jahre im See entdeckt. In einer Tiefe von zwölf Metern fanden sie das Wrack eines Fahrzeugs vom Typ Ford Modell A, das am Ende der Dreharbeiten angesteckt und im Heinitzsee entsorgt wurde.


Ford aus dem Film "Sergant Berry" auf dem Grund des Heinitzsees (1961, Foto: Peter Scharf)


Der Ford war nicht die einzige Hinterlassenschaft aus einem Film, die am Grund des Heinitzsees gefunden wurde. Die Rüdersdorfer Taucher hatten erfahren, dass der in den 1920er und 1930er Jahren bekannte Sensationsfilmer Harry Piel am See eine Stuntszene für den Stummfilm "Rivalen" gedreht haben soll. In dem Science-Fiction-Abenteuerfilm aus dem Jahre 1923 musste Piel, der als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent auch in der Hauptrolle des Films zu sehen war, die "schöne Tochter eines Erfinders aus den Klauen eines Wahnsinnigen retten". Wie in fast all seinen Filmen, die meist im Abenteuer- und Sensationsgenre spielten, hatte der Tausendsassa eine Menge „Action“ eingebaut. Seine Vorliebe für Sprengungen hatte ihm den Beinamen „Dynamit-Regisseur“ eingebracht. Ständig gerät er im Film "Rivalen" in Lebensgefahr - trifft auf funkensprühende Roboter, die durch Radiowellen ferngesteuert werden. Er begegnet geheimnisvollen U-Booten und wird von seinem Widersacher in einer Taucherglocke im Meer versenkt. In einer Szene gibt es eine halsbrecherische Verfolgungsjagd zweier Autos, von denen eines am Schluss von einem Felsen ins Wasser stürzt.

 

Gemeinsam mit Fritz Kurkowski und weiteren Rüdersdorfer Tauchern machte sich Peter Scharf auf die Suche nach dem Autowrack. Sie wurden fündig. Es handelte sich um ein Fahrzeug der Marke „Brennabor". Der deutsche Hersteller von Kinderwagen und Fahrrädern mit Sitz in Brandenburg an der Havel hatte 1908 sein erstes Serienautomobil gebaut und war kurzzeitig von Anfang bis Mitte der 1920er Jahre noch vor Opel Deutschlands größter Automobilhersteller.

 

Skelett des "Brennabor" nach der Bergung aus dem Heinitzsee, 1962 (Foto: Archiv Peter Scharf)


Peter Scharf berichtete im „Poseidon“ von der Bergungsaktion:

 

"Wir hatten erfahren, dass diese Szenen am Heinitzsee gedreht worden waren und nahmen uns vor, diesen Autoveteranen zu suchen – er konnte nicht weit ab vom Ufer liegen. Als das bekannt wurde, selbst Tageszeitungen berichteten darüber, meldete sich ein Verein von Autoveteranen-Liebhabern, die an dem Wrack großes Interesse hatten.

Der erste Versuch, das Auto zu finden, misslang vor allem wegen der schlechten Sichtverhältnisse in dem 30 Meter tiefen See – auf dem Grund herrschte völlige Dunkelheit. Beim zweiten Mal suchten wir mit sechs Rüdersdorfer GST-Tauchern in einer Kette von je drei Meter Abstand den Grund ab. Dieses Mal hatten wir Glück. Fritz Kurkowski und ich sichteten das Wrack in unserem Bereich.

Es war ein „Brennabor“, Baujahr um 1910. Das Auto bzw. das was davon übriggeblieben war, lag auf der rechten Seite, ungefähr 15 Meter vom Ufer entfernt. Die freiliegenden Räder ließen sich sogar noch drehen. Den hölzernen Aufbau des Autos fanden wir später an einer 50 Meter entfernten Stelle; er hatte sich höchstwahrscheinlich beim Aufprall vom Fahrgestell gelöst.

Wir ließen sofort eine befestigte Boje hoch, so dass die oben im Prahm befindlichen Leute Bescheid wussten. Nachdem die Taucher durch Zeichen hochgerufen wurden, machte sich jeder mit seiner Aufgabe vertraut. Drei Taucher sollten das Stahlseil an dem Fahrgestell befestigen, zwei weitere mussten sich in etwa 20 Meter Tiefe aufhalten und die letzten zwei in 10 Meter Tiefe. Sie sollten die Zeichen von unten weiterleiten, denn eine Signalleine war hier nicht angebracht. Nachdem Fritz Kurkowski, Gerhard Holm und ich mit der Befestigung des Stahlseiles fertig waren, gaben wir den über uns befindlichen Tauchern das Zeichen zum Hochziehen. Die Seilwinde des Schwimmwagens einer Einheit der NVA, die uns bei dieser Bergung behilflich war, holte das Auto nach oben. Als es sich etwa drei Meter unter der Oberfläche befand, wurde es bis an die seichte Stelle des Kanals geschleppt und dann an Land gezogen. Das Wrack rollte auf eigenen Rädern, sogar das Lenkrad konnte noch bedient werden.

Die Autofreunde waren allerdings nicht so erfreut wie wir erst dachten: Vor ihnen stand nur ein rostiges Gerippe…"

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