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Autorenbild Steven Blum

MALTER I - Wohnen unter Wasser

Aktualisiert: 20. Jan.

Erinnerungen an die erste kaltwassertaugliche Unterwasserstation Deutschlands


War es Zufall oder Wissen um die Zeit eines anstehenden Jubiläums? Im November 1967, also vor 50 Jahren, entstand bei einigen Tauchverrückten der Tauchgruppe Dippoldiswalde die Idee, ein Unterwasserhaus zu bauen. Nur ein Jahr später wurde die Unterwasserstation in Betrieb genommen und von den ersten Aquanauten der DDR bewohnt. Wie auch immer: René Enter, der schon das Museumslogo für das Sporttauchermuseum Berlin-Wendenschloß entworfen hatte, machte den Vorschlag, mit einem Modell an das Unternehmen „Malter I“ zu erinnern. Das Sporttauchermuseum in Berlin-Wendenschloß ist nun eine kleine Attraktion reicher. Zu sehen sind seit Sommer 2017 ein Modell sowie mehrere Originalstücke der ersten Unterwasserstation der ehemaligen Gesellschaft für Sport und Technik der DDR.


Stapellauf der MALTER I


„Malter I“ war eine Station unter Wasser, in der man wohnen, arbeiten und forschen konnte. Ein Riesenunternehmen für die kleine Gruppe damals, das Studium, Einfallsreichtum, Organisationstalent, handwerkliches Geschick, Schweißtechniken und die Freizeit eines Jeden in Anspruch nahm. Woran es da alles zu denken gab: Eine Landstation musste eingerichtet werden mit Geräteraum, Werkstatt, Sanitäranlage, mit einem Steuerpult für nachrichtentechnischen Anlagen (Wechselsprechanlage, optische Überwachung durch ferngesteuerte Fernsehkamera, Übermittlung der Daten der Gasanalysen), Luftversorgung durch einen Hochdruck- und einen Niederdruck-Kompressor, permanente Versorgung mit Elektroenergie, um nur einige wesentliche Dinge zu nennen.


Modell der Malter I im Sporttauchermuseum Berlin-Wendenschloß


Malter I war ursprünglich für mehrere Einsatzorte und einen Standort in 25 m Tiefe konzipiert. Die Luftversorgung fand in einem offenen Spülverfahren von der Landstation aus statt. Für den Notfall war eine autonome Gasversorgung mit beliebigen O2-N2 Gasgemischen im geschlossenen Kreislauf über die elf an der Station angebrachten unter Wasser auswechselbaren Flaschen möglich. Dazu waren spezielle Wasserabscheider installiert. Die laufende Überwachung der Luft in der Station wurde durch Gasanalysegeräte sichergestellt. Die Elektroenergieversorgung fand von Land aus oder über ein Bordsystem statt. Die Heizung erfolgte elektrisch. Und es gab natürlich auch eine Toilette.




Bereits die Zeit von nur einem Jahr von der Idee am 11. November 1967 bis zum Stapellauf am 8. November 1968 ist beeindruckend. Und dann der erste Einsatz vom 13. bis 15. Dezember 1968. Eine böse Überraschung erwartete die Begleitmannschaft und die ersten Aquanauten. Strenger Frost und das Wasser der Maltertalsperre hatte sich in eine wunderschöne, dicke, begehbare Eisschicht verwandelt. Absagen das Ganze kam nicht infrage. Also war auch noch ein kompletter Eistauchgang angesagt, um zu der Station hinunter zu gelangen. Trotz dieser Widrigkeiten funktionierte alles einwandfrei: Die Luftversorgung von Land aus, die Versorgung mit Elektroenergie, die Heizung, die Gasanalysen und alles, was zum Wohnen unter Wasser gehört. Der erste Trip von achtundvierzig Stunden mit den beiden ersten Aquanauten der DDR Manfred Börner und Karl-Heinz Foltyn in der ersten kaltwassertauglichen Unterwasserstation Deutschlands wurde ein voller Erfolg.


Foto: Manfred Börner und Karl-Heinz Foltyn vor dem Einstieg unter das Eis der Talsperre in die Station


Die Station verblieb dann an diesem Ort, denn mit der Anordnung 2/73 des Vorsitzenden des Zentralvorstandes der Gesellschaft für Sport und Technik wurde die Unterwasserstation der Tauchausbildung zugeordnet und als Einsatzort die Talsperre Malter festgelegt.


In den sechs Nutzungsperioden von jeweils eineinhalb bis zwei Jahren unter Wasser mit anschließender Überholung und Modernisierung an Land errang „Malter I“ einen festen Platz in der Taucherausbildung. Der Einsatz der Unterwasserstation war eine Bereicherung des Tauchsports in der ehemaligen DDR, denn neben der Ausbildung bot sich hier auch die Möglichkeit eigene Aufgabenstellungen sowie wissenschaftliche, tauchmedizinische oder technische Versuche durchzuführen. Von dieser Möglichkeit wurde reger Gebrauch gemacht. Unterschiedlichste Lehrgänge wechselten einander ab. Dazu gehörten Langzeitaufenthalte mit ihren medizinischen Aspekten genauso dazu wie Lehrgänge zum Bedienen des gesamten Komplexes und der Erwerb von Fertigkeiten für Unterwasser-Arbeiten. Über fünfhundert Tauchsportler der GST nutzten im Laufe von sechzehn Jahren die vielfältigen theoretischen und praktischen Möglichkeiten dieser Station, um ihr taucherisches Know-how zu vervollkommnen.


Nach 16 Jahren wurde die Unterwasserstation außer Betrieb genommen und geriet dann in Vergessenheit.


Über 30 Jahre später begannen die Recherchen für den Bau des Modells. Es wurde nicht nur Literatur zu Rate gezogen, sondern auch Zeitzeugen gesucht. Sie wurden gefunden. Als erstes Mitkonstrukteur und -erbauer von „Malter I“ Manfred Börner, der von dieser Idee so begeistert war. Die originale Fernseh-Überwachungskamera, das originale Gasspürgerät zur Überwachung der Luftzusammensetzung und viele Fotos und Konstruktions-Zeichnungen konnte er ausfindig machen und René zur Verfügung stellen, eine große Hilfe beim Anfertigen des Modells.


Die Übergabe des Modells durch René Enter im Beisein von Manfred Börner und Herbert Kucher, der den Betrieb der Station immer wieder unterstützte.


Beratungen schlossen sich an. Wohin mit dem Modell in dem schon aus allen Nähten platzenden Spottauchermuseum? Wie viel ergänzendes Material soll verwendet werden? Welcher Maßstab soll dem Ganzen zu Grunde liegen? Wie überhaupt alles anordnen in den beiden dafür bestimmten Vitrinen? Treffen fanden statt, Telefonate und E-Mails wechselten hin und her, bis es endlich soweit war und die Übergabe erfolgte. Nach letzten korrigierenden Handgriffen war die Präsentation in der jetzigen Form fertig und kann nun unseren Besuchern ein klein wenig von dem vermitteln, was die Dippoldiswalder Taucher in den Jahren 1967 bis 1985 geleistet haben.


Es ist schön, dass das Sporttauchermuseum Berlin-Wendenschloß heute wieder an die Station erinnert und Interessierten einen weiteren Blick in die Geschichte des Tauchsports eröffnet. Danke an René Enter, der in vielen, vielen Stunden das Modell von „Malter I“ und die gesamte Präsentation für das Sporttaucher-Museum Berlin hergestellt hat.


Autoren: Otmar Richter / Roger Blum


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