Am 19. März 2022 hatten wir die Möglichkeit der tschechischen Unterwasserstation PERMON einen Besuch abzustatten. Sie befindet sich im Schieferbruchsees Sifre bei Svobodné Heřmanice in der Nähe von Ostrava. Der Bergsee war noch mit einer dünnen Eisschicht bedeckt. Ich war gar nicht so glücklich, als ich am Ufer sah, dass wir noch etwa 100 m unter dem Eis zum Versenkungsort der Station zurücklegen mussten. Glücklicherweise begleiteten mich der Höhlentaucher Roman Kuleda und ein Kollege.
Der Höhlentaucher Roman Kuleda (rechts) zeigte mir die UW-Station PERMON
An der PERMON-Station
Wir folgten einer am Grund ausgelegten Leine und erreichten auf 21 m Tiefe das Grundgewicht der Station. Einige Meter darüber schwebte an dicken Ketten verankert die Kabine. Durch den Einstiegsschacht konnte ich in den Innenraum gelangen und mich kurz darin umschauen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl dieses Stück Tauchgeschichte tatsächlich zu betreten.
Einstieg zur tschechische Unterwasserstation
Am See trafen wir uns mit Josef Jan Dvořáček. Er war 1966 Mitglied des Teams von PERMON I und begleitete auch die nachfolgenden Missionen. Josef Jan Dvořáček berichtete uns von den tschechischen Langzeit-Dekompressions-Experimenten, vom Bau der Stationen und den Herausforderungen der verschiedenen Einsätze.
Steven Blum (links) im Gespräch mit Josef Jan Dvořáček (rechts) in Svobodné Heřmanice
Josef Jan Dvořáček erklärte uns, dass der Anstoß für den Bau der tschechischen Unterwasserstation nicht der Drang war, die Tiefen der Meere zu besiedeln, sondern die Bergbau-Rettung. Die Erforschung der Auswirkung eines langfristigen Überdrucks auf den menschlichen Körper hatte für das Grubenrettungswesen eine große Bedeutung, was die Erfahrungen aus dem deutschen Grubenunglück von Lengede im Jahre 1963 gezeigt hatten. Die zunächst unmöglich erscheinende Rettung von elf Bergleuten, die 14 Tage unter Tage verschollen und durch einen Wasserüberlauf in einer Luftblase eingeschlossen waren, ist als „Wunder von Lengede“ bekannt. Da eine ähnliche Situation auch in tschechischen Kohlegruben nicht ausgeschlossen werden konnte, begann man in Ostrava mit dem Bau einer Überdruckkammer und der Ausbildung von Grubenrettern unter Überdruckbedingungen. Unter dem Projektnamen PERMON – benannt nach einem kleinen Kobold zahlreichen Sagen der Region von Ostrava und Namensgeber des örtlichen Tauchclubs - erfolgten im Frühjahr 1966 in der Druckkammer des Krankenhauses von Ostrava simulierte Langzeitaufenthalte. Josef Jan Dvořáček gehörte zum ersten Team und lebte mit drei Grubenwehrtauchern vier Tage in der Enge der Überdruckkammer. Jeden Tag mussten sie sich zahlreichen psychologischen und physiologischen Untersuchungen unterziehen. Nach erfolgreichem Abschluss der Versuchsreihen in der Druckkammer des Ostrava-Krankenhauses erlaubten es die gewonnenen Ergebnisse weitere Experimente unter realen Bedingungen unter Wasser durchzuführen.
Die zweite Phase des Experiments begann im Mai 1966 mit dem Bau einer Unterwasserkabine. Die Taucher bauten eine 2 m x 2 m große Kabine aus einem ausrangierten Eisenbahnwaggon. Der Unterwassereinsatz sollte im August 1966 in Split an der jugoslawischen Adria-Küste erfolgen. Bei starkem Seegang riss jedoch die Verankerung und die Station trieb aufs offene Meer. Um die Schifffahrtswege nach Split nicht zu beeinträchtigen mussten die Ventile geöffnet und die UW-Station versenkt werden. Die zerstörte Restteile wurde geborgen und zurück nach Ostrava gebracht.
Der Rückschlag entmutigte die Taucher nicht. Es wurden Pläne für den Bau einer neuen Unterwasserstation geschmiedet und mit dem Bau begonnen. Der Ersteinsatz erfolgte im März 1967 im gefluteten Schieferbruch in Svobodné Heřmanice in der Nähe von Ostrava. Der Einsatz brachte schließlich den erhofften Erfolg. Seit 55 Jahren schwebt nun die tschechische Unterwasserstation am Grund des Steinbruchsees und ist heute ein beliebtes Tauchziel.
Nach dem Tauchgang wurde bei deftigem Essen - natürlich Knödel und Gulasch – und leckerem tschechischen Bier weiter gefachsimpelt. Am Abend lud uns Roman zu sich nach Hause ein und am nächsten Tag führte er uns durch die Schieferstollen. Die Unter-Tage-Tour bildete einen tollen Ausklang des Ausflugs nach Tschechien.
Kleine Erinnerung zum Abschied von den tschechischen Freunden
Text/Fotos: Steven Blum und Roger Blum
Quellen:
Blum, Steven: "Vom Bergmann zum Aquanauten: Auf den Spuren der tschechoslowakischen Unterwasserstation PERMON". In TAUCHHISTORIE 17 - 06/2022, S.71ff
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