Wrackerkundung an der Ostseeküsten (1966)
Durch das Engagement von Karl Ebbinghaus, dem Leiter des Heimatmuseums von Kloster, erfolgte ab 1960 die Erfassung von Schiffswracks vor Hiddensee. Ebbinghaus lebte seit 1945 auf Hiddensee. Ihm ist es zu verdanken, dass die Insel ein Heimatmuseum erhielt. Es befand sich im Gebäude des Seenotrettungsdienstes in Kloster. Ebbinghaus sammelte auf der Insel historische Gebrauchs- und Kunstgegenstände und Fischereigeräte. Zusätzlich erbat er Leihgaben von alten Fischerfamilien. So entstand eine beachtliche Sammlung.
Karl Ebbinghaus vor dem Heimatmuseum Kloster
Die ersten taucharchäologischen Untersuchungen von Wracks erfolgten auf Initiative von Karl Ebbinghaus in Zusammenarbeit mit Jörg Andreas von Oertzen im August 1963. Sie untersuchten ein Wrack, das etwa 200 m vom Ufer entfernt zwischen dem Heimatmuseum und der Hucke in 2 m Wassertiefe liegt. Das knapp 20 m lange Wrack wurde vermessen und fotografisch dokumentiert. Eine Beprobung nach der C14-Methode ergab ein Alter des Holzes von 450 Jahren. Es wurde 50 bis 80 m seewärts noch ein zweites Wrack entdeckt. Die beiden Wracks wurden im Sommer 1964 weiter erforscht.
Dr. Helmut Wolff, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für Unterwasserforschung der Akademie der Wissenschaften zu Berlin und von 1966 bis 1975 Präsident des Tauchsportklubs der DDR, verweilte regelmäßig auf Hiddensee. Seine Frau Margot stammte von der Insel und sie hatten dort ein Haus. Gern erkundeten sie die Unterwasserwelt vor ihrer Haustür.
Margot und Helmut Wolff auf Erkundungstour
Am 9. Juli 1966 entdeckte Dr. Helmut Wolff beim Schnorcheln etwa 80 bis 100 m vom Ufer entfernt in nur 1,80 m bis 2,60 m Wassertiefe ein hölzernes Schiffswrack. Die Fundstelle befindet sich in dem Strandgebiet mit dem Flurnamen „Harter Ort“. Der Seegrund besteht aus feinkörnigem Sand und kleinen bis mittelgroßen Steinen, die das Wrack umschließen und ausfüllen. Nachdem Herr Wolff den Fund gemeldet hatte, erfolgte eine Überprüfung durch die Mitarbeiter des Heimatmuseums. Das Wrack erhielt den Namen „Wrack 3“. Ebbinghaus vermutete, dass es sich um die Überreste der 1909 gesunkenen Galeasse „Sophie“ handelte.
Auf Grundlage der im Besitz von Ebbinghaus befindlichen Zeichnung wurde der Fundplatz in den Jahren 1987 und 1988 gesucht. Durch „wandernde“ Sandbänke ist das Wrack häufig vollkommen mit Sand bedeckt. Im Jahre 1990 sichtete der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger und Lehrer J. Rosin die im Heimatmuseum Kloster befindlichen Unterlagen und führte erneut Tauchgänge an den Wracks durch.
Angeregt durch die Beobachtungen führte der Verein für Unterwasserarchäologie Mecklenburg-Vorpommern e.V. unter Beteiligung der Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Unterwasserarchäologie e. V. 1992 das 1. Archäologische Taucherlager auf der Insel Hiddensee durch. Es wurden innerhalb von zwei Wochen vier Schiffswracks dokumentiert, wobei das 1966 von Dr. Helmut Wolff entdeckte Wrack am „Harten Ort“ den Schwerpunkt der Untersuchungen bildete. Der 21,5 m lange Schiffskörper aus Eichenholz liegt in Ost-West-Ausrichtung zum Ufer. Das Wrack weist eine nahezu rechteckige Form auf. Die Breite beträgt am Vorschiff 4,50 m, im mittleren Schiffsbereich 5,60 m und am Achterschiff 4,00 m. Nach der festgestellten Schiffsform handelte es sich um ein plattbodiges Fahrzeug mit abgerundetem Vor- und Achterschiff. Danach war die ursprünglich von Karl Ebbinghaus beim Wrackfund 1966 geäußerte Vermutung, dass es sich um die Überreste der 1909 gesunkenen Galeasse „Sophie“ handelt, nicht mehr haltbar. Denn eine Galeasse verfügt über einen ausgeprägten spitz zulaufenden Bugbereich und ein Spiegelheck. Diese Merkmale fehlten an dem Wrack. Größe und Form des Schiffskörpers sprechen vielmehr für eine Schmack. Dieser im 18. und 19. Jahrhundert weit verbreitete Schiffstyp mit flachem Boden wurde besonders in den Niederlanden und in Ostfriesland gebaut und vor allem als Küstensegler eingesetzt.
Der Unterwasserarchäologe Dr. Thomas Förster hat sich eingehend mit dem Schiffswrack beschäftigt. Er identifizierte das Wrack vom „Harten Ort“ auf Hiddensee als die 1783 gesunkene Schmack REGENT DOOR ZEE aus Emden. Ausgehend vom archäologischen Befund nahm Förster eine Auswertung der Verklarungsakten im Stadtarchiv von Stralsund vor. Für den in Frage kommenden Zeitraum konnte er sieben Havarien mit Totalverlust vor Hiddensee ermitteln. Er fand eine große Übereinstimmung zum archäologischen Befund zur Havarie der aus Emden stammenden und von Jan Albert Venster geführten Schmack REGENT DOOR ZEE. Der Schiffer berichtet von der geplanten Fahrt seines mit Ballast beladenen Schiffes von Marsstrand nach Stettin in der Zeit vom 5. August 1783 bis zum 13. August 1783. Das Schiff geriet am 6. August 1783 in einen schweren Sturm. Der Sturm nahm derart zu, dass die Schmack von Moen bis nach Hiddensee getrieben wurde und dort am 7. August 1783 strandete.
Literatur:
Blum, Roger: Hinab in die Vergangenheit, Berlin (2022)
Förster, Thomas: „Das Wrack vom Harten Ort vor der Insel Hiddensee – Ein Plattbodenschiff des 18. Jahrhunderts“, NAU 9/2002, S. 105 ff.
von Oertzen, Jörg-Andreas: Vorläufige Mitteilung über den Fund eines Wracks (Holzschiffs) vor der Westküste Hiddensees vom 5.9.1963 nebst ergänzendem Bericht 1964.
Wolff, Margot: Aus meiner Kinder- und Jugendzeit auf Hiddensee (1944-1957)
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