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AutorenbildRoger Blum

Dampfende Erde, brodelnde See

icht zufällig trägt Bali den Beinamen „Insel der Götter und Dämonen“. Auf Schritt und Tritt begegnete ich festlich gekleideten Balinesen, die ihre religiösen Zeremonien selbst im dichtesten Verkehrsgewühl ungerührt vollzogen. Vor jedem noch so kleinen Haus fand ich Opferschalen mit Reis, Blüten und Räucherstäbchen. Eines der ersten Erlebnisse, die mich an Bali verzauberten war der Anblick der Mädchen, wie sie jeden Morgen in ihren bunten Sarongs die Blumen- und Früchtegaben platzieren, ein Räucherstäbchen anzünden, bevor sie Wasser mit einer faszinierenden Handbewegung versprengen und dann ruhig weitergehen, um das gleiche an einem anderen Ort zu wiederholen. Mehrmals täglich sind diese Opferzeremonien sowohl für die Götter und Ahnen als auch für die Dämonen vonnöten, für die einen als Danksagung, für die letzteren zur Besänftigung oder als Ablenkung.




Es war mein dritter Aufenthalt in Indonesien und mein zweiter in Bali und somit an der Zeit, der Götter- und Dämonenbelegschaft des Landes einmal einen Besuch abzustatten. Da bei den Balinesen die beiden Vulkane Mt. Agung und Mt. Batur als heilige Sitze der Götter gelten, bestieg ich den Mt. Batur. In der Kühle der Nacht begann ich um 3 Uhr morgens mit dem Aufstieg. Zum Sonnenaufgang wollte ich auf dem Gipfel stehen. Im Schein der Taschenlampe folgte ich einem natürlichen Pfad aus erloschener Lava. In dichten Nebel gehüllt erreichte ich den Kraterrand. Kleine Rauchwölkchen kündeten von der Aktivität des Vulkans. Auf der dampfenden Erde kochten sogar Frühstückseier. Hier am Äquator kam die Morgendämmerung rasch. Die bleiche Sonne vertrieb die Morgenkühle und den beklemmenden feuchten Dunst. Ihr fahles Licht beleuchtete eine gigantische, stille Landschaft, in der sich üppige tropische Vegetation mit Reisterrassen und Vulkangipfeln abwechseln. Mit seinen 3.142 m überragte weithin sichtbar der Mt. Agung die Insel.


Während dort oben die Götter thronen, hausen im Meer die Dämonen. Jeden Morgen, wenn wir mit unserem Auslegerboot die schmale Riffausfahrt vor Sanur passierten, legte der Bootsführer zu deren Besänftigung ein kunstvoll geflochtenes Körbchen mit Opfergaben aufs Meer; selbiges tat der Guide jeweils bei Ankunft am Tauchplatz.





Die ersten beiden Tauchgänge unternahm ich am „Liberty“-Wrack bei Tulamben. Es ist der bekannteste Tauchplatz Balis. Bereits bei meiner ersten Bali-Reise vor sieben Jahre tauchte ich hier. Das etwa 100 Meter lange Schiff der „Liberty“-Klasse, Baujahr um 1910, diente im Zweiten Weltkrieg als leicht bewaffnetes Frachtschiff, das unter amerikanischer Flagge kriegswichtige Rohstoffe transportierte. Am 11. Januar 1942 wurde es beim Durchqueren der Straße von Lombok von den Torpedos eines japanischen U-Boots getroffen. Die Amerikaner versuchten das Schiff in einen Hafen im Norden Balis zu schleppen, was wegen zu großen Wassereinbruchs aber nicht gelang. Um die Fracht zu retten, wurde das Schiff bei Tulamben auf den Strand gesetzt. Dort blieb das Wrack liegen, bis zum legendären Ausbruch des Mt. Agung im Jahre 1963 der weite Teile Balis verwüstete. Die Lavamassen und die mit dem Vulkanausbruch in Verbindung stehenden seismischen Bewegungen, brachten es fertig, das doch recht stattliche Wrack zurück ins Meer zu befördern, wobei es ein wenig zerfiel.




Heute stecken die noch immer gut als Schiff erkennbaren Teile mitten im schwarzen Lavasand. Das Heck der „Liberty“ befindet sich nicht einmal 50 Meter vom Ufer entfernt und ragt bis 3 Meter unter der Wasseroberfläche; der Bug liegt in 30 Meter Tiefe. Beim Abstieg zum Wrack sah ich etwas, das auf dem ersten Blick wie eine Seegraswiese aussah. Es waren Röhrenaale, deren Köpfe und Körper sich in der Strömung wogen.


Das Wrack selbst ist stark mit Korallen und Schwämmen bewachsen und wird von Riffischen aller Art bewohnt. Der Rumpf ist von großen Löchern durchsetzt, so dass es leicht war, das Innere des Schiffs zu erkunden. Kurz vor Erreichen des Bugs schwimmt man unter dem recht großen Bug-Geschütz hindurch. Dann wieder aufsteigend, ging es in mittlerer Tiefe und in aller Ruhe durch den stark zerstörten Mittelteil des Schiffs zum Heck zurück. Hier zog ein großer Schwarm Stachelmakrelen seine Kreise. Besonders beeindruckend war der Blick auf die im Gegenlicht klar gezeichneten, zerklüfteten Trümmer des Wracks. Später sah ich vom Strand aus noch eine Schule Delphine unweit des Wracks vorbeiziehen.





Alle weitere Tauchgänge dieser Reise unternahm ich vor den Inseln Nusa Penida und Nusa Lembongan. Die beiden, von unzähligen Palmen und weißen Sandstränden umsäumten Inseln liegen etwa eine Stunde Bootsfahrt westlich von Bali. Zwischen den Inseln befindet sich ein Kanal, in dem eine kräftige Strömung herrscht. Ich hörte, dass dort die Riffhaie so zahlreich sein sollen, dass man ihnen nach einer Weile keine Aufmerksamkeit mehr schenkt. Außerdem werden dort häufig Mantas und Mondfische gesichtet. Kaum abgetaucht erfasste mich ein drei bis vier Knoten starker Sog. Vorbei an wunderschönen Gorgonien, Weichkorallen und bunten Schwämmen sauste ich durch einen üppigen Korallengarten und tatsächlich traf ich gleich beim ersten Tauchgang auf mehrere Weißspitzenriffhaie.




An einem anderen Tag zog ein großer Adlerrochen die Riffkante entlang. Bei jedem Tauchgang entdeckte ich interessante Arten. Die Artendichte war hier wirklich unglaublich. In allen Regenbogenfarben schimmerten die Schuppen und Flossen der Korallenfische.





Mein Fazit: Bali gehört zum Schönsten, was Südostasien zu bieten hat. Lächelnde Gesichter, saftiggrüne Reisterrassen, freche Affen, Tempelfeste, endlose Strände und herrliche Korallenriffe...gut, dass die Balinesen den Göttern und Dämonen täglich ein großes Opfer bringen.


(Erstveröffentlichung in „Adlershofer Flossenblätter“ Ausgabe 54/2004)

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