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„Aquaflex“ - Eine Oscarpreisträgerin geht unter Wasser

Exponate im Sporttauchermuseum Berlin

Wie ein kleines Flugzeug schwebt ein „Aquaflex“-Unterwassergehäuse im Sporttauchermuseum Berlin-Wendenschloß über den Köpfen der Besucher. Die „Aquaflex“ war ein serienmäßig hergestelltes wasserdichtes Gehäuse für die berühmte Caméflex-Filmkamera (auch Camarette) der französischen Firma Èclair.


Das Aquaflexgehäuse im Sporttauchermuseum


Entwickelt wurde die Caméflex im Jahre 1944 von den beiden französischen Ingenieuren Jacques Mathot und André Coutant (Patent Nr. 908 345, angemeldet am 23.12.1944, erteilt am 3.9.1945). Die Markteinführung erfolgte im Jahre 1947. Die Kamera erhielt viele internationale Auszeichnungen. Die Ingenieure erhielten für die Gestaltung der Caméflex bei der Oscarverleihung im Jahre 1950 den Oscar für technische Verdienste (Academy Technical Achievement Award) der Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Diese seit 1931 vergebene Auszeichnung würdigt herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Verbesserung technischer Geräte und Methoden in der Filmwirtschaft.


Eine "Caméflex Standard B" aus dem Jahre 1954 im Tauchermuseum Wendenschloß


Eine "Caméflex Standard B" aus dem Jahre 1954 ist als Exponat im Tauchermuseum Wendenschloß zu besichtigen. Die Caméflex war besonders in den 1950iger und 1960iger Jahren wegen ihrer einfachen Bedienung im Freien bei Filmproduktionen sehr gefragt. Der mehrfach geforderte Unterwassereinsatz führte zur Konstruktionen eines wasser- und drucksicheren Gehäuses für Unterwasser-Filmaufnahmen. In dieses konnte die Kamera untergebracht werden, nachdem die Kassetten in eine Längsform gebracht worden waren. An dem „Aquaflex“-Gehäuse wurden die Bedienungsgriffe wasserdicht nach außen geführt und ließen so eine volle Betätigung aller Einstellungen zu. Außerdem stellte ein automatisches Druckausgleichssystem im Inneren des Gehäuses immer den Druck entsprechend dem außen herrschenden Wasserdruck her. Ein leicht verschieb- und verstellbares Trimmgewicht diente dazu, die Kamera in der gewünschten Schwimmlage zu fixieren. Die Stabilisierungsflächen der „Aquaflex“ erinnern an die Höhen- und Seitenruder eines Flugzeugs.


In der DDR gab es nur drei Aquaflex


In der ehemaligen DDR soll es nur drei „Aquaflex“ gegeben haben und jede hat eine interessante und auch wechselvolle Geschichte. Wir wollen versuchen, sie so einfach wie möglich zu beschreiben:


Kamera 1 gehörte dem DEFA-Dokumentarfilmstudio. Tätig waren dort u.a. der Regisseur Heinz Reusch und Kameramann Horst Orgel, die mit der Kamera Aufnahmen für den Dokumentarfilm „Testfahrt zum Roten Meer“ in der Nähe der Schadwan-Inseln drehten. Reusch beschreibt die Filmarbeiten in seinen Artikeln „Mit großem Licht“ (Poseidon 8/1962, S. 22 ff.) und „Schlittenfahrt im Roten Meer – Aus der UW-Filmarbeit der DEFA“ (Poseidon Nr. 11/1962, S. 16 ff.). Ebenfalls kam die Aquaflex im Jahre 1956 bei einer gemeinsamen Expedition der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) und der BZ am Abend nach Albanien in Einsatz.


Kamera 2 gehörte der Technischen Aufnahmegruppe der Volksmarine (TAG). Im Sommer 1961 fand am Stechlinsee die Einweisung der Volksmarineangehörigen in die Bedienung der Aquaflex durch die DEFA-Mitarbeiter Heinz Reusch und Horst Orgel statt. Mit dieser Kamera wurden Ausbildungsfilme gedreht und Unterwasserarbeiten der NVA dokumentiert.


Kamera 3 gehörte dem Institut für Hochseefischerei Rostock. Tätig war dort u.a. Hermann Winkler als Taucher. Die Kamera war 1959/1960 als weitere Kamera mit an Bord des Forschungsschiffes „Meteor“ für den Dokumentarfilm „Testfahrt ins Rote Meer“. Sie wurde angeblich im Jahre 1959 während der Dreharbeiten zum Film „Testfahrt ins Rote Meer“ aufgrund eines Bolzenbruchs in den Tiefen des Roten Meeres versenkt.


Nach dem Verlust soll das Dokumentarfilmstudio mit ihrer Aquaflex ausgeholfen haben. Diese ging später in den Besitz der Akademie der Wissenschaften der DDR über. Interessant sind vor allem die erheblichen technischen Umbauten: Ursprünglich war das Gehäuse mit einer Planscheibe ausgerüstet – für die Dreharbeiten in unseren Binnengewässern völlig ungeeignet. Deshalb musste mit einer Kalotte gearbeitet werden. Übrigens wurden die Kalotten zum Teil nach optischer Berechnung und Anfertigung einer Schablone aus Plexiglas im heimischen Backofen hergestellt. Nun musste aber das Weitwinkelobjektiv der Kamera in den Brennpunkt der Kalotte gedrückt werden, und zwar 3 cm nach vorn. Schlitten und alle Bedienungsadapter konnten aber nicht versetzt werden. Also musste vom Originalgehäuse abgesägt werden – und zwar sehr sauber der gesamte Ring mit der originalen Scheibenaufnahme, der Dichtung und alle Anzugsschrauben. Dann wurde das Gehäuse um 3 cm gekürzt. In der Folge galt es, diesen abgesägten Ring millimetergenau wieder anzuschweißen. Eigentlich kein Problem, wenn das gesamte Gehäuse nicht aus Aluminium bestehen würde. Und wer konnte Anfang der 1970iger Jahre schon Aluminium schweißen? Es ist dann durch Vermittlung von Ali Kupke geschehen.


Das Aluminium war auch der Grund, weshalb nach dem Auffinden der Kamera nach über 20 Jahren alle Wellen sich mit dem Gehäuse fest „zusammenkorrodiert“ hatten. Mit Gewalt war da ohne Zerstörung des Gehäuses nichts zu machen. Deshalb dauerte die spätere Restaurierung auch über ein halbes Jahr mit einem täglichen Arbeitsaufwand. So dauerte es manchmal über eine Woche, bevor sich eine Welle wieder drehte. Da ist eben auch Museumsarbeit. Ähnlich war es mit der Überholung des automatischen Druckausgleiches.


Die Aquaflex der Technischen Aufnahmegruppe der Volksmarine wurde oft dem Dokumentarfilmstudio der DEFA überlassen und schließlich an das Dokumentarfilmstudio verkauft. Aus den Inventarisierungsunterlagen des Filmmuseums Potsdam geht hervor, dass die Kamera nebst UW-Gehäuse am 16. März 1981 durch die DEFA-Bildtechnik für 5.000,00 Mark der DDR dem Filmstudio der NVA abgekauft wurde. Das Exemplar hat immer noch das Laufbahnabzeichen Taucher an der senkrechten Flosse. Es befindet sich heute im Depot des Filmmuseums Potsdam.


Die zweite noch verbliebene Aquaflex ist heute im Sporttauchermuseum Berlin-Wendenschloß ausgestellt. Das Museum befindet sich in den Vereinsräumen des Tauchsportklubs Adlershof im Pro Sport 24 e.V. in der Wendenschloßstraße 420 in Berlin-Köpenick. Wer das Museum kennenlernen möchte, ist zu einem Besuch herzlich eingeladen. Da das Museum ehrenamtlich betrieben wird, wird aber um vorherige Anmeldung gebeten.



Sporttauchermuseum Berlin-Wendenschloß

c/o Tauchsportklub Adlershof im ProSport 24 e.V.

Wendenschloßstraße 420

12557 Berlin


Quelle: Dr. Roger Blum (Hrsg.), Ein Pinguin in Wendenschloss, Berlin (2019)




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