Ausgerüstet mit einem geräumigen Haikäfig, großen Mengen an Blut, Thunfischen und Köpfen von Siebenkiemer-Grauhaien (anerkanntermaßen der beste Köder für Weiße Haie) machte ich mich im Juni auf die Suche nach dem großen Weißen Hai.
Ausgangspunkt der Suche war der kleine Ort Kleinbaai, etwa zwei Autostunden entfernt von Kapstadt. An Bord der Predator II verließ ich den Hafen von Kleinbaai Richtung Dyer Island. Dieses Gebiet besteht in Wirklichkeit aus zwei Inseln: Dyer Island und Geyser Rock. Die Hauptinsel Dyer beherbergt eine große Population von Blaufußtölpeln und Brillenpinguinen; auf der zweiten Insel, Geyser Rock, haben sich Tausende von südafrikanischen Pelzrobben niedergelassen. Zwischen den beiden Inseln liegt ein 150 m breiter und 600 m langer Kanal, der den Namen Shark Alley trägt. Dieses Gebiet gilt als eines der besten Weißhai-Spots weltweit. Im südafrikanischen Winter sammeln sich die Haie hier in großer Zahl. Die warme Agulhasströmung vom Indischen Ozean kommend trifft hier auf die kalte, von Süden kommende Benguelaströmung. Um Dyer Island herum mischen sich die Strömungen. Das scheint die Haie anzuziehen. Auch die Robben locken die Großen Weißen regelmäßig hierher.
Die Predator II im Hafen von Kleinbaai
Am Tauchplatz angekommen begann Tour Operator Brain McFarlane eine Duftspur aus Blut und Fischabfällen im Wasser auszulegen. Durch seine Fähigkeit, Blut in millionenfacher Verdünnung im Wasser wahrzunehmen, standen die Chancen, dass ein Hai dieser Spur folgt, nicht schlecht. Doch manchmal kann es Tage dauern, bis der erste Hai auftaucht und auf einigen Expeditionen wurden überhaupt keine Haie gesichtet. Ich stellte mich also auf ein langes Warten ein und während ich auf die Wasseroberfläche starrte, dachte ich an die Erlebnisse der letzten Woche zurück: an die Tour durch die Namib-Wüste, an die Elefanten, Nashörner, Zebras, Giraffen und Antilopen im Etosha-Nationalpark und an die Schakale, die abends durchs Camp zogen. Im Gegensatz zur trockenen Hitze Namibias war es hier am Kap der guten Hoffnung recht kalt. Doch im südafrikanischen Winter ist die Chance, Weiße Haie zu sehen, am höchsten.
Köpfe von Siebenkiemer-Grauhaien wurden an einem langen Seil befestigt um den Weissen Hai anzulocken
Eine starke Dünung, der Gestank von Exkrementen zahlreicher Robben und Vögel sowie der unangenehme Geruch der Ködermasse können empfindliche Mägen vor erhebliche Probleme stellen und das Warten kann lang werden. Doch ich hatte Glück. Nicht nur, dass sich das Wetter von seiner besten Seite zeigte, es verging auch kaum eine halbe Stunde bis die erste Rückenflosse eines Hais an der Wasseroberfläche auftauchte.
Der erste Große Weiße lässt sich blicken...
Eilig wurde der Käfig zu Wasser gelassen und ich hatte die Chance, als einer der ersten den Sprung in den Stahlkäfig zu wagen. Die Sicht im 16 Grad kalten Wasser betrug knapp 10 Meter, doch vom Hai war zunächst keine Spur zu sehen.
Eilig wird der Käfig ins Wasser gelassen...
Wie aus dem Nichts tauchte er dann plötzlich vor mir auf – ein ca. 4 m langer Bursche. Vorsichtig umkreiste er Käfig, Boot und den im Wasser ausgelegten Thunfischbrocken. Dann verschwand er wieder in der Leere und tauchte von einer anderen Richtung auf. Von der dem Hai nachgesagten blinden Aggressivität war nichts zu spüren. Vielmehr entpuppte er sich als extrem vorsichtig. Zunächst kreiste der Hai um den Köder, um dann irgendwann nach ihm zu schnappen. Als er damit keinen Erfolg hatte, da Brain ihm den Leckerbissen stets vor der Nase wegzog, dachte er sich eine neue Strategie aus: Der Hai schwamm den Köder nunmehr geradewegs von unten an. Auf den letzten Metern beschleunigte er so rapide, dass es den massigen Körper teilweise aus dem Wasser hob.
Recht schnell gewöhnte ich mich an die Anwesenheit des mächtigen Raubfischs. Von der anfänglichen Angst war nichts mehr zu spüren. Da das Wasser sehr kalt war, setzte ich mich später sogar auf den Käfig und glitt erst dann hinein, wenn Brain das Zeichen gab, dass sich ein Hai dem Köder näherte. Mein Tauchpartner konnte es nicht lassen, durch die Gitterstäbe hindurch einen Weißhai zu streicheln.
In den folgenden Stunden sahen wir etwa acht verschiedene Weiße Haie, vom „kleinen“ Dreimeter-Hai bis zum Fünfmeter-Brocken. Manchmal umkreisten sogar zwei Haie das Boot, wobei – wenn sie sich trafen – stets der Kleinere dem Größeren wich.
Unvergesslich wird für mich der Moment bleiben, als sich der erste Weiße Hai mit weit geöffnetem Ober- und Unterkiefer nur wenige Meter von mir entfernt dem Köder näherte und ich direkt in den berühmtesten Rachen der Filmgeschichte – bestückt mit großen, weißen, dreieckigen Zähnen – schauen konnte. Leider muss gesagt werden, dass es den Weißen Hai nicht mehr lange geben wird. Er gilt biologisch bereits als ausgestorben.
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