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AutorenbildRoger Blum

Expedition Heimkehle 1958

Höhlentauchen in der DDR


Dank sich immer weiter entwickelnder Tauchtechnik konnte seit Ende der 1950er Jahre in größere Tiefen und sogar in unerforschte Höhlensysteme vorgedrungen werden. Forscher des Höhlen- und Karstforscherverbandes Nordhausen baten Fritz Reußrath um Unterstützung bei der Erforschung des Höhlensystems der Heimkehle am Rand des südlichen Harzvorlandes. Vor allem den beiden Höhlenseen, dem Thyra- und dem Heimen-See, galt die Aufmerksamkeit. Die Höhlenforscher vermuteten dort unterseeische Verbindungen der Höhlenseen zu wasserführenden Systemen im Berginneren. Was den Tauchern abverlangt wurde, war für diese absolutes Neuland.


Fertigmachen zum Taucheinsatz in der Heimkehle-Höhle


Am 20. April 1958 begann die „Expedition Heimkehle“. Teilnehmer waren Fritz Reußrath (Expeditionsleiter), Dr. Wolfgang Bucklitsch (Taucherarzt), Jürgen Schmidt (Kamera), Winfried Giersch (Tontechnik), die Taucher Klaus-Dieter „Eule“ Krüger, Werner Kaiser, Uwe Nels, Heinz Rückmann, Peter „Pitt“ Zenthöfer, Gerhard Genig und Alex Bartsch sowie die Vertreter der Höhlen- und Karstforscherverbandes Nordhausen Erich Rösch und Fritz Schuster. Die Expeditionsteilnehmer bezogen Quartier im „Thyra-Fuchs“, einer kleinen Herberge im nahegelegenen Örtchen Uftrungen. Bereits für den nächsten Tag hatte Fritz Reußrath den ersten Taucheinsatz im Heimensee angesetzt. „Eule“ Krüger, Jürgen Schmidt und Alex Bartsch waren die ersten Taucher, die in den Höhlensee einstiegen.

Beim ersten Taucheinsatz entdeckten die Taucher in etwa acht Meter Tiefe einen Spalt, der sich mehr und mehr verengte. Der Höhlengang war so eng, dass das Tauchgerät am Felsen entlangschrammte, doch die Taucher zwängten sich hindurch. Dahinter fanden sie ein großes Gewölbe. Nur das dünne Scheinwerferkabel wies den Tauchern den Rückweg. Plötzlich geriet ein Taucher in Panik. Er atmete heftig und schwamm hastig auf die Wand zu. Blitzschnell hatte Klaus Dieter Krüger die Situation erfasst, packte ihn am Tauchgerät und schob ihn hindurch in den Spalt zurück zum Heimen-See.


Klaus-Dieter Krüger (links) und Fritz Reustath (rechts)


Fritz Reusrath entschied, dass der nächste Einsatz im Thyra-See erfolgen sollte und legte vier Teilnehmer fest: Gerhard Genig sollte die Lichttorpille führen, „Pitt“ Zenthöfer die Unterwasser-Filmkamera, Klaus-Dieter Krüger das Mikrofon und Heinz Rückmann, der Gesteinsproben sammeln sollte. Die Taucher paddelten mit dem Schlauchboot in die Mitte des Sees, ließen sich rückwärts ins Wasser fallen und tauchten ab. Das Mikrofonkabel bildete die einzige Verbindung zur „Zentrale“ im Besucherhöhlenraum. Im Höhlenlabyrinth erfasste Heinz Rückmann Panik. Klaus-Dieter Krüger versuchte ihn zu beruhigen. Doch das gelang ihm nicht und Rückmann verlor das Bewusstsein. Krüger zog ihn am Bein aus der Höhle, wo er glücklicherweise schnell das Bewusstsein wiedererlangte. Doch es fehlten die beiden anderen Taucher. Bei der Rettungsaktion war das Mikrofonkabel aus der Höhle mitherausgezogen worden. Damit war die einzige Verbindung zu Peter Zenthöfer und Gerhard Genig nicht mehr vorhanden.

Fritz Reusrath wies Klaus-Dieter Krüger an, erneut in die Höhle zu tauchen, um die beiden zu suchen. Er konnte sie aber nicht finden und tauchte völlig erschöpft und unterkühlt auf. Die einzige Chance die beiden Taucher noch lebend zu bergen bestand darin, dass sie einen luftgefüllten Raum gefunden hatten. Eifrig wurde das Kartenmaterial studiert und tatsächlich bestand die Möglichkeit, dass sich die beiden in einen Hohlraum retten konnten. Dort saßen sie in der Dunkelheit fest.

Fritz Reusrath und der Rest des Teams arbeiten sich währenddessen in mühevoller Arbeit über eine Versturzhalde am Rand des Thyra-Sees in das Berginnere. Sie krochen bäuchlings hinein, schoben Gesteinsbrocken und schmierigen Höhlenlehm beiseite und arbeiteten sich über Stunden Meter für Meter vorwärts. Sie gaben die Taucher nicht auf. Vier Stunden nach Beginn der Suchaktion bekamen sie endlich eine Antwort auf ihr Klopfen und Rufen. Die Taucher lebten und konnten schließlich gerettet werden, was vor allem Reusraths Hartnäckigkeit zu verdanken war.


Quelle: Roger Blum/Steven Blum: Schwerelose Zeiten - Tauchererinnerungen, Berlin (2020)





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