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Autorenbild Steven Blum

Das achte Weltwunder: Tiefsee-Tauchen in Milford Sound

Außergewöhnliche Naturerscheinungen werden oft auch als das "achte Weltwunder" bezeichnet - so auch der Milford Sound an der Westküste der Südinsel Neuseelands. Der beeindruckende Fjord bietet Sporttauchern die einmalige Gelegenheit die einzigartige Unterwasserwelt der Tiefsee kennenzulernen. Aufgrund eines 3-5 Meter dicken Süßwasserfilms auf dem schweren Salzwasser, der sich aus Regen und Schmelzwasser speist und durch die ausgewaschenen Tannine des Waldes so dunkel ist, dass das Wasser kaum Licht durchlässt, lassen sich Lebensformen die normalerweise nur in der Tiefsee vorkommen bereits in betauchbaren Tiefen beobachten. So trifft man auf die weltgrößte Kolonie Schwarzer Korallen, die gewöhnlich erst in Tiefen von 200 m bis 1000 m vorkommen. Ein meeresbiologischer Schatz, denn Tauchgänge allein mit Druckluft wären in derartige Tiefen unmöglich.



An einem der aktivsten tektonischen Gebiete der Erde, dem Pazifischen Feuerring, bildeten sich während der Eiszeiten massive Gletscher, die sich tief in die Berge einschnitten und diese abschliffen. Durch diese erodierende Wirkung der Gletscher schnitten sich tiefe Rinnen in die Küstenregionen, die sich durch das spätere Ansteigen des Meeresspiegels in der Warmzeit mit Wasser füllten. Im Süden von Neuseeland entstanden 14 tiefe, enge Meeresarme, die sich zwischen steilen Felswänden bis zu 40 Kilometer ins Landesinnere erstrecken und heute den Fiordland Nationalpark bilden. Die spektakuläre Küstenlinie ist Teil der Wahipounamu World Heritage Area, die im Norden an der Martins Bay beginnt und bis zum Waitutu Forest im Süden reicht. Die Fjorde sind von gewaltigen Bergen umgeben, die in Höhen bis zu 2.000 Metern reichen.



Die Fiordlands in Neuseeland sind für ihre fantastische Natur bekannt: die schimmernden Fjorde, die schroffen Berge sowie die atemberaubende Wasserfälle



Die wichtigste Touristenattraktion des Fiordland-Nationalparks ist der 15 Kilometer lange Milford Sound. Er ist der nördlichste Fjord und als einziger Fjord über eine Straßenverbindung erreichbar. Diese wurde erst 1952 angelegt, die durch den 1200 Meter langen Homer Tunnel führt. Davor war die Anreise nur per Boot oder über den 54 Kilometer langen Milford Track möglich. Sämtliche Pläne der jüngeren Vergangenheit den Fjord leichter - vor allem für Urlauber aus Richtung Queenstown - zugänglich zu machen wurden zum Glück für die natürliche Unberührtheit der Region abgewiesen. Von der nächsten Stadt Te Anau, dem sogenannten Tor nach Milford Sound, sind es 120 Kilometer. Die beschwerliche Anfahrt spiegelt sich auch in den Tauchpreisen wieder: ein Tauchgang im Milford Sound wird ab 295 NZ$ angeboten, was etwa 200 Euro entsprechen.


Tip: Aufgrund der weiten Anreise empfiehlt es sich, die Nacht vor Ort zu verbringen. Aufgrund der begrenzten Übernachtungsmöglichkeiten sollte die Unterkunft schon vorab gebucht werden.


Mit dem Boot geht es am nächsten Morgen tief durch die Fjordlandschaft mit atemberaubender Aussicht auf hohe Berge und spektakuläre Wasserfälle. Am bekanntesten ist hier der Mitre Peak, der mit einer Höhe von 1692 m zu den höchsten Bergen rund um den Milford Sound gehört und direkt an der tiefsten Stelle des Fjords (265 m) liegt. Wir haben hervorragendes Wetter mit blauem Himmel und Sonnenschein. Die klare Sicht ist beeindruckend und wir können weit in den Sound hinein sehen. Der Nachteil an dem tollen Wetter ist, dass es im Sound nur wenige Wasserfälle zu sehen gibt, bei Regenwetter können es hunderte sein.





Das Schiff fährt an einem Robbenfelsen vorbei, wo ein paar Seelöwen träge in der Sonne dösen. Bald sind wir am Ende des Fjordes und sehen aufs offene Meer hinaus. Wir machen Stopp und bereiten uns auf den ersten Tauchgang vor. Die Wassertemperaturen liegen um die 10 °C und wir pellen uns in die engen 7mm Neoprenanzüge. Lieber etwas enger als zu weit, sonst gibt es zu viel Platz zwischen der Haut und dem Anzug für das kalte Wasser. Als zusätzlicher Kälteschutz dient eine Eisweste, in derselben Materialstärke. Dazu dicke Neoprenhandschuhe und Haube. Es dauert eine Zeitlang bis wir alles angezogen haben.





Dann gehts per Rolle rückwärts ins Wasser. Das Wasser ist eisigkalt. Die Felswände fallen hier steil ins Meer weshalb es schon wenige Meter vom Ufer sehr tief ist. Langsam tauchen wir an der Felswand hinab und durchtauchen schnell die Grenze zwischen Süß- und Salzwasser, die bei ein bis zwei Meter Tiefe liegt. Die beeindruckende Landschaft geht auch unter Wasser weiter. Die Unterwasserwelt ist karg und steinig - das macht sie aber so besonders. Die Felsen sind von großen Kolonien Gelber Krustenanemone (Parazoanthus sp.) überzogen, dazwischen ab und zu ein Vasenschwamm oder eine Rote Koralle.





Die Unterwasserwelt der Fiordlands punktet mit einer Flora und Fauna, die nirgendwo anders zu finden ist


Das Fjord bietet aufgrund einer Besonderheit die einmalige Gelegenheit, die Flora und Fauna der Tiefsee kennenzulernen. Diese Möglichkeit wird durch das aus den Bergen kommende Wasser geschaffen, das Tannine (pflanzliche Gerbstoffe aus Stauden, Sträuchern und Baumblättern) aus dem Waldboden aufnimmt, die das frische Wasser teefarben verfärben lassen. Sobald das Wasser das Meer erreicht, setzt es sich als dicke Schicht auf die Oberseite des Salzwassers und schafft eine teefarbene Schicht, die das Wasser verdunkelt und als Lichtblocker wirkt. Die Dunkelheit und das kalte Wasser lockt nun Lebewesen nach oben, die normalerweise in größeren Tiefen wohnen.


Im Milford Sound sind Lebensformen näher an der Oberfläche zu finden, die sich sonst deutlich tiefer aufhalten würden


Die wohl bekannteste Tiefsee-Spezies, die beim Tauchen im Milford Sound beobachtet werden kann, ist die Schwarze Koralle Antipathella fiordensis. Mit über 7 Millionen Kolonien gibt es in den Fiordlands eine der größten Ansammlungen von Schwarzen Korallen weltweit. Einige von ihnen sind über 300 Jahre alt. Normalerweise leben die Korallen in Tiefen von 200 m bis 1.000 m, aber hier in Milford Sound können sie schon in 10 m unter der Wasseroberfläche beobachtet werden. Anders als ihr Name vermuten lässt ist die Färbung der Schwarzen Koralle nicht schwarz sondern weiß. Nur das Skelett ist schwarz. Dieses ist überzogen von einer Vielzahl von kleinen weißen Polypen, der nur 1 mm groß sind.



Die Schwarzen Korallen (Antipathella fiordensis) sehen eher aus wie Äste von Nadelbäumen als wie Korallen



Schwarze Korallen brauchen knapp 100 Jahre, um einen Meter zu wachsen. Einige Exemplare hier sind über vier Meter groß. Um sie herum sind schlangenförmige Seesterne gewickelt, ab und zu sitzen Drachenköpfe in ihren Ästen.


Die Unterwasserfauna der Fjorde ist unverwechselbar. Über 150 Fischarten kommen hier vor. Auf dem steinigen Untergrund sitzen Rote Seebarsche (Helicolenus percoides) und Drachenköpfe (Scorpaena papillosa) unbeweglich und gut getarnt und lauern auf Beute. Beide Fische sind schlechte Schwimmer, können allerdings aufgeschreckt sich für einige Meter sehr schnell beschleunigen.





Der groppenartige Brotula (Fiordichthys slartibartfasti) ist eine endemisch vorkommende Fischart aus der Ordnung der Eingeweidefischartigen (Ophidiiformes) und nur hier in den Fiordlands anzutreffen. Der lebendgebärende Fisch wird auch Bartmännchen genannt und ist nach Slartibartfast benannt, dem Konstrukteur der Fjorde im Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams.


Mit Ausnahme von Doubtful Sound und Milford Sound, wo das Amateur-Fischerei zugelassen ist, sind die Blauen Kabeljaus Parapercis colias in den südlichen Gewässern so zahm, dass sie sogar zu den Tauchern schwimmen. Auch Samt-Feilenfische (Meuschenia scaber) verfolgen uns eine Weile, bis sie das Interesse verlieren.


Interessiert an uns Tauchern waren auch einige Gürtel-Lippfische (Notolabrus cinctus), die mit einer Länge von 30 bis 60 cm ziemlich groß werden können. Sie ernähren sich räuberisch von wirbellosen Tieren und sollen oftmals nahrungssuchenden Rochen hinterherschwimmen, um deren aufgewirbelte bodenbewohnende Wirbellose erbeuten. Anscheinend gehören auch wir zu ihren Beuteschema, denn die bissen gerne in freiliegende Stellen der Taucher - typischerweise in die Lippen. Gefährlich sind diese Bisse zwar nicht, aber äußerst unangenehm. Von vier Tauchern verließen bei unserem Tauchgang zwei das Wasser mit blutigen Lippen.



Gürtel-Lippfische (Notolabrus cinctus)



Das Fiordland ist die südlichste Region der Welt, in der Langusten leben. Die vielen Höhlen und Grotten bieten den perfekten Lebensraum für den Südlichen Felsenhummer Jasus edwardsii, deren ausgewachsene Tiere eine Länge von einem halben Meter und ein Gewicht von 8 kg erreichen können. Die Löcher und Spalten im Fels bieten viele Schlupfwinkel für unzählige Exemplare. Nirgendwo anders auf der Welt habe ich annähernd eine solch großes Vorkommen von Langusten gesehen.



Große Felsen-Langusten Jasus edwardsii vor der Küste Neuseelands



Weitere Meereslebewesen, die wir während der Tauchgänge sahen, waren Seegurken (Holothuroidea), auch unter den Namen Seewalzen bekannt. Mit über 1200 Arten die die formenreichste Gruppe der Stachelhäuter, zu denen unter anderem auch die Seesterne und Seeigel gehören. Entlang der Küste des Fiordlands ist vor allem die Braune Seewalze (Australostichopus mollis) verbreitet. Auch bunte Nacktschnecken bevölkern die Felsen.





Es war allerdings nicht ganz so einfach alles zu genießen, denn es war wirklich kalt und schon bald zittere ich am ganzen Körper. Einmalig ist der Moment in dem man auftaucht und schneebdeckte hohe Berge um sich herum erblickt. Am Boot bekommen wir Jacken und bunte Mützen zum Aufwärmen. Dazu gibts heißen Tee, Obst und Plätzchen. Die Guides versuchen wirklich alles um es für uns so warm und komfortabel wie möglich zu machen.





Wir halten nochmal an einer Robbenkolonie und fahren dann zu einem großen Wasserfall. Wir fahren direkt unter ihn und das kalte Gletscherwasser prasselt uns ins Gesicht. Als wir uns entfernen wird der Wasserfall von einem Regenbogen umrahmt — sehr schön. Wir kommen wieder am Bootsanleger an und wechseln in trockene Sachen. Wir füllen unsere Logbücher aus und verabschieden uns dann von den anderen.

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