Auf den Spuren des Unterwasserarchäologen Gerhard Kapitän
In der letzten Ausgabe der Flossenblätter berichtete ich von einem Besuch aus Sizilien: Mari Kapitän, Tochter des Pioniers der Unterwasserarchäologie Gerhard Kapitän, besuchte das Sporttauchermuseum des Tauchsportklubs Adlershof. Nachdem wir uns nochmal in Berlin getroffen hatten, flog ich am 24. Mai 2024 nach Sizilien. Es war schön wieder einmal die Insel zu besuchen, denn mit ihr verknüpfe ich herrliche Erinnerungen: Während meiner Studentenzeit arbeitete ich dort als Tauchlehrersassistent auf einer Tauchbasis.
Zuerst fuhr ich nach Syrakus, wo Gerhard Kapitän von 1961 bis zu seinem Tod 2011 lebte. Er hat dort viele Unterwasserfundstellen entdeckt. Sein Haus befand sich nicht weit entfernt vom Archäologischen Museums. Für Taucher mit archäologischem und historischen Interesse ist ein Museumsbesuch ein Muss. Ausgestellt sind unzählige Funde von der Vorgeschichte bis frühchristlichen Zeit Siziliens. Leider war die Museumsbesichtigung viel zu kurz, denn mittags waren wir schon zum Tauchen in Ognina verabredet.
Besuch des Archäologischen Museums in Syrakus
Der kleine Ort südlich von Syrakus bot in der Antike als natürlicher Hafen Schutz. Doch dem Hafen war eine tückische Untiefe vorgelagert (Secca di Ognina), die vielen Schiffen zum Verhängnis wurde. Auf ihr liegen mehrere Wracks, die in den 1960er und 1970er Jahren Gerhard Kapitän erforschte. Ab 1995 erfolgte nochmals eine größere Untersuchung durch die Deutsche Gesellschaft zur Förderung der Unterwasserarchäologie (DEGUWA), die Gerhard Kapitän beratend begleitete.
Ausfahrt zur Wrackfundstelle
Mari Kapitän, Tochter von Gerhard Kapitän, hatte bei der örtlichen Tauchbasis organisiert, dass ich mit einem Boot zur Secca di Ognina gefahren wurde. Das Wasser war sehr klar und der Boden fiel terrassenförmig ab. Der Meeresboden war überdeckt mit Neptungras, dass in der leichten Strömung hin- und herwogte. Wir suchten den Boden nach Scherbenresten ab. Ein stattlicher Barrakuda schwamm nur eine Armlänge entfernt an mir vorbei und zeigte keine Scheu. Wir mussten nicht lange suchen bis wir die ersten Amphoren fanden.
Amphoren auf der Secca di Ognina
Anhand Größe, Form und Material kann das Alter und der Herkunftsort ziemlich genau bestimmt werden. Gerhard Kapitän hatte sich damals intensiv mit der Klassifizierung von antiken Amphoren beschäftigt und es wurden sogar zwei spätrömische Amphoren-Typen nach ihm benannt. Was wohl in ihnen transportiert wurde? Heute sind sie Unterschlupf für Drachenköpfe oder Oktopusse. Das Wrack lag auf fast 30 m Tiefe. Es war nicht mehr viel erhalten, lediglich die Anordnung der Ballaststeine und einige Amphorenhälse ließen erahnen, dass hier ein altes Schiff lag. Eine freischwimmende Muräne streckte mir ihre Zähne entgegen. Es schien, als wollte sie das Wrack bewachen. Interessant war noch ein antiker Bleianker, den wir auf dem Rückweg weiter oben auf der Untiefe fanden. Ob er zum Schiff gehörte, das wir betaucht hatten?
Kleiner Drachenkopf
Nach dem schönen Tauchgang ging es weiter nach Marzamemi an die Südspitze Siziliens. Hier hatte Gerhard Kapitän Anfang der 1960er Jahre ein byzantinisches Schiffswrack und die Überreste einer Marmorkanzel aus dem 6. Jahrhundert eingehend erforscht. Die Unterwasserausgrabungsstätte kann heute mit Glasbodenbooten besucht werden und ist Teil des Marzamemi Maritime Heritage Project. Bei Marzamemi erlebten wir die Launen der Natur: Wir bummelten bei herrlichem Wetter mit blauem Himmel und viel Sonne durch das malerische Dörfchen. Plötzlich baute sich eine dunkle Wand auf, es bildeten sich Schaumkronen auf dem Wasser und ich erlebte einen Hagelschauer, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Um uns bildete sich eine graue Wand und zentimetergroße Eisklumpen prallten auf das Autodach. Ich stellte mir vor, dass ein solches Unwetter vielleicht auch dem Schiff zum Verhängnis wurde, was wir ein paar Stunden zuvor betaucht hatten. So schnell das Unwetter aufzog, so schnell war es wieder verschwunden und ein herrlicher Regenbogen überspannte die sizilianische Landschaft mit ihren alten Gemäuern, Zitronenplantagen und Palmen.
Wir ließen den Tag in Catania bei Pizza und Rotwein ausklingen, denn am nächsten Morgen ging es schön wieder zurück nach Berlin. Es war ein herrlicher Tag auf den Spuren des Unterwasserarchäologen Gerhard Kapitän.
Blum, Roger: Auf den Spuren des Unterwasserarchäologen Gerhad Kapitän, in: Adlershofer Flossenblätter Nr. 135 (2024), S. 14-15.
Weiterführende Literatur:
Blum, Roger: Gerhard Kapitän - ein Wegbereiter der deutschen Unterwasserarchäologie, in: Biermann, Felix/Klammt, Anne/Schneeweiß, Jens/Spazier, Inses (Hrsg.), Technologie, Handwerk und Rohstoffgewinnung im westslawischen Raum, Verlag Beier&Beran (2024), S. 329-348.
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