Sechzig Jahre ist es her, dass mit dem Einsatz von SEALAB I Tauchgeschichte geschrieben wurde. Am 20. Juli 1964 hatten vier amerikanische Taucher vor der Küste der Bermudas zehn Tage in einem Unterwasserhaus in einer Tiefe von fast sechzig Metern verbracht. Diese Pionierleistung ist ein Meilenstein in der Entwicklung von Unterwasserhabitaten und gilt als Startschuss zur Eroberung der Meere. Es folgte ein Jahrzehnt meerestechnischer Sensationen, immer neuer Tieftauchrekorde und utopisch-anmutenden Unterwasserforschungsprojekte.
SEALAB I im Man-in-the-Sea-Museum in Panama City
Ende der 1950er Jahre hatten amerikanische Navy-Mediziner um George F. Bond vom U.S. Naval Medical Research Laboratory, New London, Connecticut (Submarine Medical Center) und Robert Workman von der Experimental Diving Unit, Washington, D.C. ein Verfahren entwickelt, das sich grundlegend von den gängigen Tauchverfahren und der damit verbundenen Technik unterschied: das Sättigungstauchen. Dieses neue Konzept revolutionierte die Berufstaucherei, war doch endlich eine Lösungsansatz gefunden worden, dem Problem der hohen Dekompressionszeiten bei Tieftauchgängen zu begegnen. Bisher ließen das ungünstige Verhältnis zwischen Aufenthaltsdauer in der Tiefe und der notwendigen Dekompressionszeit Langzeitaufenthalte unter Wasser unmöglich erscheinen. Als unumstößliches Gesetz galt: Je länger und tiefer der Tauchgang, desto mehr Zeit muss für die Dekompression aufgewendet werden. Das Sättigungstauchen nutzte aus, dass die Gasaufnahme des Organismus unter erhöhtem Druck begrenzt ist. Wie ein Schwamm, der nicht mehr „nasser“ werden kann, wenn er erst einmal voll Wasser gesaugt ist, kann das Körpergewebe nach einer bestimmten Zeit keine weiteren Gase mehr aufnehmen. Nach Erreichen dieses Sättigungspunktes führt eine Verlängerung der Tauchzeit nicht mehr zu einer Verlängerung der Dekompressionszeit. Solange der Taucher dann eine maximale Tiefe nicht überschreitet ist es aus Sicht der Dekompression irrelevant, ob die weitere Tauchdauer in der gleichen Tiefe wenige Stunden, einige Tage oder gar Monate beträgt. Die Zeit des Dekompressionsaufstiegs bleibt unabhängig von der zusätzlichen Aufenthaltsdauer immer gleich. Nachdem Bond und Workman im Rahmen von Druckkammerversuchen (GENESIS-Projekt) die Machbarkeit des Sättigungstauchens nachgewiesen hatten, war es an der Zeit, das neue Tauchverfahren im Meer unter realen Bedingungen zu erforschen.
Für die Erprobung des Sättigungstauchens im Ozean wurde ein Unterwasserlaboratorium gebaut. Die Entwicklung erfolgte durch Konstrukteure der Forschungs- und Entwicklungsgruppe des US Navy Mine Defense Laboratory in Bay County, Florida. Leitender Konstrukteur war William Bryant Culpepper. In den Werkstätten auf dem Gelände der Marinebasis in der Nähe von Panama City sollte das Unterwasserhaus auch gebaut werden. Ende März 1964 begannen die Konstruktions- und Werkstattarbeiten gleichzeitig und nach nur zweimonatiger Bauzeit war am 20. Mai 1964 das erste amerikanische Unterwasserhaus SEALAB I fertiggestellt.
SEALAB I bestand aus zwei umgebauten Schwimmkörpern, die einige Jahre zuvor für ein Minenräumprojekt verwendet worden waren. Die zigarrenförmige Hauptkammer war zwölf Meter lang und hatte einen Durchmesser von vier Metern. Sie unterteilte sich in einen neun Meter langen Wohn- und Arbeitsraum mit Tischen, Küche und sanitären Einrichtungen sowie einem drei Meter langen Schlafraum, der Platz für vier Aquanauten bot. Der Einstiegsschacht befand sich im Arbeitsbereich. In den halbkugelförmigen Enden befanden sich Behälter mit Heliumgas. Das Unterwasserlabor wurde mit Achsen von Eisenbahnwaggons in Position gehalten.
Am 20. Juli 1964 begann vor der Küste der Bermudas der erste bemannte Einsatz. Die Mannschaft bestand aus dem Navy-Mediziner Robert E. Thompson (36), sowie Lester E. Anderson (31), Robert A. Barth (31) und Sanders W. Manning (33), die alle als Ausbilder am Escape Training Tank der New London U-Bootstützpunktes in Groton, Connecticut tätig waren. Barth und Manning hatten bereits in der Vorbereitungsphase des SEALAB-Unternehmens als Probanden für Bonds Druckkammerversuche GENESIS D und E teilgenommen. Die vier Marinetaucher wurden mit einer tauchfähigen Druckkammer, der sogenannten Submerged Decompression Chamber (SDC), hinab zum Habitat gebracht, das für die nächsten drei Wochen ihr Heim werden sollte. Sie nahmen ihre Arbeit auf und machten sich mit der Technik und dem Leben unter Wasser vertraut. In den darauffolgenden Tagen führten sie zahlreiche Tauchgänge außerhalb des Unterwasserhauses durch. Neben täglichen Routineaufgaben wie der Inspektion und Wartung des Habitats und der Turmfüße von „Argus Island“, befreiten den Meeresboden um das Unterwasserhaus herum von Trümmerteilen und erstellten Fotos vom Betrieb des SEALAB sowie dem kleinen Ein-Mann-Tauchboot STAR I, das zu Beobachtungszwecken vor Ort war. Darüber hinaus führten sie Untersuchungen von Meereslebewesen durch. Von einem wissenschaftlich abgestimmten meeresbiologischen Forschungsprogramm konnte jedoch nicht die Rede sein.
Der Plan, die vierköpfige Besatzung drei Wochen lang ununterbrochen unter Wasser zu halten, wurde durch einen aufziehenden Sturm zunichte gemacht. Nach zehn Tagen musste das Experiment wegen der schlechten Wetterbedingungen abgebrochen und die Besatzung an die Oberfläche gebracht werden. Obwohl das Experiment SEALAB I abgebrochen werden musste, war SEALAB I ein großer Erfolg. Zum ersten Mal war unter realen Bedingungen im Meer nachgewiesen worden, dass die Notwendigkeit täglicher Dekompressionsrückführungen an die Oberfläche entfallen kann, wenn Unterwasserarbeiter in der Nähe ihres Arbeitsplatzes einen bewohnbaren Schutzraum unter Druck vorfinden.
SEALAB I wurde nach dem Einsatz vor den Bermudas wurde das Unterwasserlabor zurück in das Minenabwehrlabor der US Navy nach Bay County, Florida gebracht und mehrfach umgebaut. So erhielt es einen Kommandoturm. Nun konnten größere Geräte in das Habitat hinabgelassen werden, ohne umständlich durch die kleine Luke an der Unterseite gehen zu müssen. Das Unterwasserlabor erhielt eine schwarz-weiße Lackierung und wurde etwa zwei Meilen vor der Küste von Panama City im Golf von Mexiko in einer Tiefe von 18 m neben der Stage II-Forschungsplattform der Navy versenkt. Als wichtiger Bestandteil des neuen STEP-Programms (Submerged Test Engineering Platform) diente es für eine Reihe von Ausrüstungs- und Verfahrenstests, die für das geplante SEALAB-III-Experiment und künftige MAN-IN-THE-SEA-Projekte notwendig waren. Nach dem STEP-Programm wurde das SEALAB als Unterwasserlabor für das von George F. Bond entwickelte "Scientist-in-the-Sea"-Programm verwendet. Das Programm war eine Partnerschaft zwischen der US Navy, der US-Wetterbehörde NOAA und dem Florida University System und bot Studenten die Möglichkeit, sich mit der damals verfügbaren Unterwasser-Lebenserhaltungs- und Datenerfassungstechnologie vertraut zu machen. Im Jahr 1974 wurde SEALAB I jedoch von der Marine versiegelt und fast ein Jahrzehnt auf dem Meeresboden zurückgelassen.
Um die Geschichte und das Erbe von SEALAB und des MAN-IN-THE-SEA-Programms für zukünftige Generationen zu bewahren, gründete eine Gruppe von Tauchern des SEALAB-Programms und Vertretern aus dem kommerziellen, wissenschaftlichen, medizinischen und des Sporttauchbereichs das Institute of Diving (IOD). Die 1977 gegründete Vereinigung setzt sich für die Erhaltung des historischen Habitats ein. Ihre Bemühungen führten dazu, dass im Jahr 1981 Taucher der Navy Experimental Diving Unit (NEDU) und des Diving&Salvage Training Centre (NDSTC) SEALAB I bargen. Während seiner Zeit auf dem Meeresgrund war SEALAB zu einem künstlichen Riff geworden. Die Taucher brauchten mehrere Wochen, um das von Korallen bewachsene und Rost zerfressene Habitat zu säubern und zu flicken, bevor es schließlich im Juni 1981 an die Oberfläche gehoben wurde. Nach der Bergung wurde das Habitat in die Alligator Bayou nach Bay County verbracht, derselben Bucht, in der es vor der Bermuda-Mission getestet wurde. SEALAB wurde gereinigt, ausgeschabt und grundlegende Reparaturen durchgeführt. Nach den Restaurierungsarbeiten wurde es im Februar 1982 in einem eigens errichteten Tauchmuseum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und bleibt hoffentlich für die Ewigkeit erhalten.
Autor Steven Blum mit Teilnehmern des SEALAB-Programms in Panama City, Florida
Im Oktober/November 2014 wurde das SEALAB I in den ursprünglichen Zustand von 1964 zurückversetzt. Anhand von Original-Navy-Fotos aus dem Jahr 1964 wurde der Innenraum des Habitats unter Leitung des SEALAB III-Ingenieurs Jim McCarthy so realitätsgetreu wie möglich an den historischen ersten Sättigungstauchgang vor den Bermudas rekonstruiert. Nun, da SEALAB I restauriert und für die Öffentlichkeit zugänglich ist, widmet sich das Man-in-the-Sea-Museum nicht nur der Geschichte und der Erhaltung von SEALAB I, sondern der gesamten Geschichte des MAN-IN-THE-SEA-Programms und seinem bleibenden Vermächtnis.
Heute präsentiert das Museum die Geschichte des Sättigungstauchens und der SEALAB-Experimente. Neben dem SEALAB I beinhaltet die Ausstellung Exponate frühester militärischer Tauch- und Bergungsausrüstungen bis hin zu modernen kommerziellen Geräten. Neben der Ausstellung ist das Museum auch Begegnungsort. Am 11. und 12. November 2022 wurde ein Treffen mit den SEALAB-Veteranen in Panama City, Florida organisiert und ich hatte die Möglichkeit, Aquanauten und Teilnehmer des einzigartigen Projekts treffen zu können.
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