Während die griechisch-antiken Ausgrabungsstätten ironischerweise konzentriert auf dem türkischen Festland liegen, dominieren auf Rhodos türkische Einflüsse und mittelalterliche Ritterfestungen. Rhodos-Stadt wurde von den Kreuzrittern zu einer ungewöhnlich wehrhaften Festung ausgebaut. Der Großmeisterpalast, die gewaltigen Wallanlagen und die originalgetreu rekonstruierten Straßenzüge aus jener Zeit machen die Stadt zu einem eindrucksvollen Zeugnis der Kreuzritterepoche. Unvergesslich ist für mich auch ein Ausflug zur Akropolis von Lindos auf dem Rücken eines Esels, die dort auch liebevoll als „Lindos-Taxi“ bezeichnet werden. Neben den Kulturstätten hat die Insel aber auch einiges an Naturschönheiten zu bieten, so z.B. das Schmetterlingstal Petaloudes. Ich hatte das Glück in der „Schmetterlings-Saison“ dort zu sein. In dem feucht-kühlen Tal sammeln sich nur einmal jährlich für wenige Wochen (Juli/August) die Harlekin-Falter und bedecken Bäume und Sträucher. Die Schmetterlinge werden vom Sekret des Amberbaums angezogen. Diese Bäume wachsen in ganz Griechenland nur in diesem Tal.
Man kann also auf Rhodos eine Menge erleben. Nur ein Erlebnis muss man sich nicht unbedingt antun: Hier zu Tauchen. Der einzige Platz auf Rhodos, wo das Tauchen mit Pressluftflaschen erlaubt ist, ist die Bucht von Kallithéa. Die winzige, von schroffen Felsen umgebene Bucht (120 m Breite am Ausgang) wirkt am frühen Morgen noch ruhig und beschaulich. Ein paar Palmen ringsherum geben einen Schuss Exotik hinzu. Gegen 9 Uhr morgens ist man dort noch fast allein. Was ich nicht ahnte war, dass zur gleichen Zeit eine Armada von Tauchbooten den Mandráki-Hafen von Rhodos-Stadt – dort wo vor langer Zeit der berühmte Koloss von Rhodos gestanden haben soll – verließ.
Kurz nach zehn Uhr legten dann 4 große Schiffe an der Tauchplattform an und eine nicht enden wollende Menschenmenge strömte aus den Booten. Während die letzten noch ausstiegen waren die ersten Schnuppertaucher schon im Wasser – es brodelte buchstäblich vom Flossengeplansche. Weit mehr als 250 Taucher steigen hier in Spitzenzeiten an einem Tag ins Wasser. Ein bisschen zu viel für die kleine Bucht! Für Wiederholungstäter unter den Schnuppertauchern gab es Rabatt und Erlebnissteigerung: Beim ersten Mal sahen sie nur den Sand auf 5 bis 8 Meter Tiefe, beim zweiten Mal Sand mit Felszacke, dann Sand mit Felszacke und Grottenloch und am Ende stand das „begeisternde“ Erlebnis einer Fischfütterung mit kleingehackten Seeigeln.
Ein kleiner Trost in diesem Taucher-Alptraum war, dass die Guides es schafften, eine kleine Gruppe von 5 ausgebildeten Tauchern zusammenzufinden. Wir schwammen zum Ausgang der Bucht und tauchten erst dort ab. Hier prägten zerklüftete Gesteinslandschaften mit Überhängen, Tunneln und bizarr geformten Geröllbrocken das Bild. Felslöcher in flachen Tiefen gewährten Durchblicke zur Oberfläche mit fantastischen Spielereien des einfallenden Sonnenlichts. Die Tauchgänge waren hier ein echter Geschicklichkeits-Parcours. Die Felsblöcke sind stark unterhöhlt und von farbenprächtigen Tieren und Algen besiedelt. Da waren ganze Ballen von gelben Krustenanemonen, rote Seescheiden, Röhrenwürmer und Schwämme aller Art.
Leider sah es mit dem Fischbestand etwas traurig aus. Trotz der hervorragenden Sichtverhältnisse und der interessanten Unterwasserlandschaft wirken die Tauchplätze etwas langweilig. Durch öde Steinlandschaften und Riffe – so schön sie auch sein mögen – zu schwimmen, ist eben nur die halbe Freude. Lediglich einige Schwärme von Brassen und Mönchsfischen waren vertreten. Bei 4 Tauchgängen sah ich nicht eine Muräne und nur 2 verängstigte kleine Zackenbarsche sowie 1 Kraken, der am Abschluss jedes Tauchganges besucht wurde und wohl das „Highlight“ darstellen sollte.
Das sterbende Mittelmeer trifft jedoch nicht nur die Sporttaucherseele. Seit der Antike hatte hier die Schwammtaucherei Tradition. Das Finden der Schwämme, die „Ernte“ vom Meeresgrund und der Verkauf auf der ganzen Welt ermöglichte über Jahrhunderte hinweg die wirtschaftliche Existenz der Ägäis-Inseln. Heute ist die Schwammtaucherei ein aussterbendes Gewerbe, das nur noch für die Touristen aufrechterhalten wird. Besonders deutlich wurde mir das auf der kleinen Insel Symi, die sich etwa 25 km nordwestlich von Rhodos befindet. Früher lebten dort fast 20.000 Menschen vom Schiffbau und der Schwammtaucherei. Heute beherbergt die Insel nur noch knapp 2000 Seelen. Schwämme kann man hier in allen Größen und Variationen kaufen. Dass sie an Symis Küste fast ausgerottet sind, konnte ich beim Anblick der Schwamm-Massen in den Geschäften kaum Glauben. Die angebotenen Exemplare stammen jedoch meistens aus Nordafrika oder sogar aus Fernost. Sucht man nach der heutigen Lebensgrundlage der Bewohner Symis, findet man nur eine einzige, und das ist man selbst – der Tourist.
Erstveröffentlichung in „Adlershofer Flossenblätter“ Ausgabe 45/2001.
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