1967 begann auf Kuba die bis daher größte DDR-Unterwasserexpedition an der kubanischen Küste. Ziel war es, ein Korallenriff abzubauen, das als Diorama im Naturkundemuseum Berlin wiederaufgestellt werden sollte. Die aufwendige Expedition war ein Gemeinschaftsunternehmen der Humboldt-Universität Berlin und des Tauchsportklubs der DDR. Der Tauchsportklub war beauftragt, fünf Taucher als Teilnehmer zu entsenden, die alle notwendigen Unterwasserarbeiten ausführen sollten.
Das Expeditionslager am Strand von Arroyo Bermejo
Die Expedition stand unter der Leitung von Dr. Eckhard Gruner. Mit dabei waren Prof. Dr. Deckert (wissenschaftliche Beratung, Spezialist für Fische), Dr. von Freyhold (Arzt), Jochen Kaden und Werner Bensch (Präparatoren), sowie die Taucher Hans-Jürgen Kramer, Rudolf Richter, Arnfried „Teddy“ Herold, Joachim Wagner und Dr. Helmut Wolff. Die ersten Teilnehmer fuhren Ende März an Bord der MS „Fichte“ nach Kuba. Rudi Richter und Jochen Wagner reisten am 1. Mai 1967 per Flugzeug nach. Als letzter Expeditionsteilnehmer traf Dr. Wolff am 23. Mai 1967 in Havanna ein, da er vorher noch auf der CMAS-Generalversammlung in Rom war. Mit ihm traf auch Michael Montanez ein, der Leiter der Arbeitsgruppe für Unterwasserforschung beim Ozeanografischen Institut der Akademie der Wissenschaften von Kuba, der sein Land ebenfalls in Rom auf der CMAS-Generalversammlung vertreten hatte. Michael Montanez war der erste Aquanaut aus einem sozialistischen Land. Ein Jahr zuvor hatte er sich im Rahmen des CARIBE I-Programms, gemeinsam mit dem Tschechen Pepa Mergl, drei Tage in einem dreieinhalb Meter langen und sechs Tonnen schweren Unterwasserhabitat an der Küste vor der kubanischen Hauptstadt Havanna in einer Tiefe von 15 m aufgehalten. Montanez und eine Gruppe kubanischer Taucher unterstützten das Vorhaben der DDR-Unterwasserexpedition. Die Taucher des Tauchsportklubs der DDR sollten der Expedition jede mögliche technische Hilfe gewähren und die Unterwasserarbeiten ausführen. Ihre besondere Aufmerksamkeit galt der Tauchtechnik. Drucklufttauchgeräte, Kompressor, Fotokameras und Elektronenblitzgeräte waren zu warten und zu reparieren. Hauptfeind war die Korrosion. Die der heimatlichen klimatischen Bedingungen angepasste Mechanik und Elektronik der Kameras und Blitze bereiteten die größten Sorgen. Kondensatoren fielen aus, Isolierungen schmorten durch und ständig musste etwas repariert, ausgewechselt oder umgebaut werden. Nicht zu vergessen sind natürlich auch die Unterwasserarbeiten selbst. Es galt ja ein ganzes Korallenriff abzubauen, in Einzelteile zu zerlegen und fein säuberlich in Holzkisten zu verpacken, damit es später im Naturkundemuseum Berlin wieder aufgebaut werden konnte. Das Material sollte für eine Ausstellungsfläche von zehn Meter Breite, drei Meter Tiefe und drei Meter Höhe reichen. Neben Korallen waren zudem möglichst viele für karibische Riffe typische Vertreter der Flora und Fauna zu sammeln, zu konservieren oder zu präparieren.
Das Expeditionslager wurde an dem kleinen Badestrand Arroyo Bermejo, etwa 70 Kilometer östlich von Havanna, aufgebaut. Überraschend tauchte dort ein dreiköpfiges Kamerateam des DEFA-Dokumentarfilmstudios auf, um einen Zehnminutenstreifen über die Expedition zu drehen. Das Filmteam stellte das Lager fast auf den Kopf. Palmen sind, so meinte die Regie, für Kuba typisch. Wer dort zeltet, muss unbedingt unter Palmen zelten. Dies hatten die Taucher nicht getan, also mussten ihre Zelte umgesetzt werden. Einfach so wie alle Tage mit dem Abtragen der Korallen beginnen und wie bisher üblich arbeiten? Auch das ging nicht, denn der „Lagerstrand“ war dem Filmteam nicht „schön“ genug. Also wurde einen Kilometer weiter eine neue Einstiegsstelle gesucht, die geeigneten Hintergrund bot - mit Palmen natürlich. Einfach so ins Wasser gehen? Irrtum, sechsmal, achtmal wurde jede Szene wiederholt, bis Regisseur und Kameramann zufrieden waren und wir völlig erschöpft. Auch Dr. Gruner und Prof. Deckert mussten sich in der glühenden Mittagshitze vor dekorativ aufgebauten Transportkisten setzen – natürlich mit Palmen im Hintergrund. Sie mussten eifrig über Mikroskop und Notizblock gebeugt so tun, als ob sie wissenschaftlich arbeiteten. „Bitte noch einmal!“ Diese freundliche, dutzendmal wiederholte Aufforderung des Regisseurs wurde zum geflügelten Wort. Zehn Tage lang brachte der unverhoffte DEFA-Besuch den Expeditionsalltag und die Arbeitspläne kräftig durcheinander.
Expeditionsleiter Dr. Eckhard Gruner (rechts)
Im Juli 1967 kehrte wieder Ruhe am Strand von Arroyo Bermejo ein. Die Taucher hatten ihren Auftrag erfüllt und reisten zurück in die Heimat. Den Mitarbeitern des Naturkundemuseums stand dann aber der schwierigste Teil des Unternehmens noch bevor. 41 große „Riffcontainer“ mit knapp zehn Tonnen Korallen warteten auf den Abtransport nach Berlin und mussten im Naturkundemuseum wieder zusammengesetzt werden.
Unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Dietrich Kühlmann konnte von den Präparatoren Dr. Kreutz, Werner Bensch, Uwe Kühn und der Sammlungskonservatorin Karin Kühlmann ein Teil der gesammelten Korallen zu einem imposanten Riff-Diorama zusammengesetzt werden. Sieben Jahre nach der Kuba-Expedition wurde es anlässlich des 25. Jahrestags der DDR der Öffentlichkeit vorgestellt. Noch heute ist es im Naturkundemuseum in Berlin zu besichtigen.
Dr. Helmut Wolff am Zeltlager (1967)
Dr. Helmut Wolff (rechts) gewährt dem Autor Dr. Roger Blum (links) Einblick in sein Fotoalbum (2020)
Quelle: Roger Blum/Steven Blum: Schwerelose Zeiten - Tauchererinnerungen, Berlin (2020)
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